Der Markenmacher
Er stammt aus Norddeutschland, lebt in München, ist eigentlich Jurist und arbeitete als Rechtsanwalt. Aber das wollte Matthias Düwel irgendwann nicht mehr sein, weil er sich nicht gerne streitet, wie er sagt. Also folgte er seiner wahren Bestimmung, wurde Start-up-Unternehmer und kam vor einigen Jahren auf eine so naheliegende wie überraschende Idee. Er belebt alte deutsche Luxusmarken wieder, von denen es früher eine ganze Menge gab, die aber verschwanden. Warum das so war und wie er vorgeht, erzählte er uns in seinem Münchner Büro.
Herr Düwel, wie kamen Sie auf die Idee, vergessene deutsche Luxusmarken wiederzubeleben?
Ich interessiere mich sehr für Geschichte und für schöne Dinge, und vor etwa zehn Jahren kam ich im Gespräch mit einem Freund auf den Gedanken: Warum gibt es eigentlich in Deutschland so wenige Luxusmarken? Denn in Frankreich oder in Italien gibt es zahllose. Ich habe lange recherchiert und herausgefunden, dass es sehr wohl viele Hersteller von Luxusgütern in Deutschland gab – aber fast ausschließlich bis zum Zweiten Weltkrieg. Damals verloren viele ihre Kundschaft oder wurden Opfer von Kriegsfolgen.
Haben Sie ein Beispiel?
Der größte Maßschuhmacher der Welt hieß Wilhelm Breitsprecher und hatte seinen Sitz in der Wilhelmstraße in Berlin. Ein Volltreffer genügte, um alles zu zerstören. So ging es vielen damals weltbekannten deutschen Marken, seien es Juweliere, Schuhmacher, Uhrmacher oder Bekleidungshäuser.
Warum hat nicht schon längst jemand diese Marken wiederbelebt?
Nach Kriegsende gab es wohl hierzulande andere Themen, als vergessene Luxusmarken aufzubauen.
Und viele dieser Marken waren wirklich weltweit bekannt?
Absolut. Die 1862 in Berlin gegründete Uhrenfabrik Löbner war spezialisiert auf Kurzzeitmessung. Löbner hat sich nicht nur als Händler, sondern auch als innovative Uhrenfabrik verstanden. Man hat 1880 die ersten Tertienzähler gebaut, mit denen die hundertstel Sekunde gemessen wurde. Eine Hightech-Marke ihrer Zeit. Uhren von Löbner waren bei sportlichen Großereignissen der 1920er und 1930er regelmäßig für die Zeitnahme zuständig: Autorennen, Pferderennen, Wintersport. In Europa, aber auch in den USA. Sie haben die Zeit gemessen, als Fritz von Opel als erster Mensch in seinen selbst gebauten Raketenfahrzeugen Weltrekorde einfuhr. Gute Geschichten laden Gegenstände auf und emotionalisieren sie.
Und nun kommen Sie?
Ja, aber wir haben viele dieser vergessenen Marken ausgegraben, aber schnell entdeckt, dass oft die Story es nicht halten kann. Je tiefer wir allerdings bei Löbner eintauchten, desto faszinierter waren wir. Uns war klar: Das ist eine Geschichte, die erzählt werden muss. Und die man neu interpretieren kann – mit neuen Produkten.
„Interpretieren“ ist ein wichtiges Stichwort, denn zunächst ist da ja nur ein Name. Wie schaffen Sie es, an die Heritage und die Tradition anzuknüpfen?
Wir fragten uns, wie ein mechanischer Chronograph heute aussehen würde, wenn es Löbner immer gegeben hätte, und haben mit dem renommierten Schweizer Designer Emmanuel Dietrich diese Antwort gefunden: Wir nennen alle Löbner-Uhren Zeitmesser, da die Zeitmessung immer essenziell ist, daher ist beim ersten Produkt, dem Steelracer, die Uhrzeit nur auf einem Nebenzifferblatt. Im Mittelpunkt steht die Stoppsekunde mit der Tachymeterskala. Zum Kronenschutz haben uns historische Zeitmessapparate inspiriert, da sie meist unter freiem Himmel durch Holzkisten geschützt wurden.
Sie haben keine großen Firmengebäude, das Team ist klein. Wie schafft man es dennoch, gute Luxusprodukte herzustellen?
So wie Franz Ludwig Löbner vor 162 Jahren: mit sehr guten Zulieferern. Das Gehäuse wird in Schwaben von einer exzellenten Werkstatt gefertigt, das Automatikuhrwerk wurde von uns weiterentwickelt und kommt aus der Schweiz. Ein Partnerunternehmen in Glashütte kümmert sich um den Service, die Montage und die Feinreglage. Viele Luxusuhrenmarken vertrauen auf dieses Prinzip der Arbeitsteilung. Wir wollen kein Öltanker werden, sondern ein Schnellboot bleiben.
Ist Geschichte auch ein Marketinginstrument?
Sicher, aber wir gehen damit relativ moderat um. Löbner hat über 80 Jahre nicht existiert. Die historische Einführung ist nötig, um die Markenwerte zu erklären. Aber wir wollen keine nostalgische Marke betreiben, sondern eine moderne Luxusuhrenmarke.
Wenn sich Firmen mit Stichworten wie „established“ oder „since“ auf ihre lange Geschichte berufen, geht es ja auch immer um Werte. Sind Ihnen Werte nicht wichtig?
Genau deswegen machen wir es nicht. Denn Nostalgie geht gern mit Melancholie einher und ist rückwärtsgewandt. Löbner verkörpert das Gegenteil: Neugier, Unternehmergeist, den Ehrgeiz, etwas Neues aus eigener Kraft zu schaffen. Darum lautet unser Claim „Driven by Goals“.
Was ist Luxus für Sie?
In andere Welten entführt zu werden. Ich war kürzlich in Zürich bei Hermès, das fühlt sich sehr poetisch an, fast wie ein eigenes Universum. Luxus hat aber nicht unbedingt etwas mit Konsum zu tun. Vor Kurzem waren meine vier erwachsenen Söhne bei uns zu Besuch, seit Langem haben wir mal wieder Zeit zusammen verbracht. Luxus ist etwas, das nicht ständig verfügbar ist.
Auch bei der Wiederbelebung anderer Vorkriegsluxusmarken sind Sie beteiligt. Welche?
Die Josephinenhütte, die feinste mundgeblasene Gläser herstellt. Die historische Firma war einst die größte preußische Glashütte, mit Sitz in Schlesien. 1945 flohen die Glasmacher, die Maschinen wurden demontiert. In den letzten fünf Jahren haben wir erreicht, dass drei der ersten fünf Gourmetrestaurants der World’s 50 Best Restaurants unsere Gläser nutzen.
Was planen Sie noch?
Wir haben noch einiges in der Schublade, vor allem eine außergewöhnliche Schmuckmarke und eine weitere Uhrenmarke im Luxussegment. Jedes Projekt braucht aber ein solides Fundament. Es ist sehr anspruchsvoll und sportlich, aus dem Stand Luxusmarken auf den Markt zu bringen. Alles braucht sein Momentum, und einige Marken brauchen noch etwas Zeit – uns drängelt ja niemand.