So individuell werden Privatjets designt

Oberstes Prinzip für Privatjetdesigner: Keine Kompromisse! Die Flugzeuge, die ihnen von Eignern anvertraut werden, gestalten sie jetzt genauso individuell wie Villen und Yachten.
Text Rachel Ingram
Individuelles Interieur: Das Pariser Designbüro Pinto hat mehr als 30 Privatjets gestaltet. 

So komfortabel wie möglich von A nach B kommen? Klar, das ist Sinn und Zweck eines Privatjets. Aber das ist längst nicht alles: Viele Privatjetbesitzer haben weit höhere Ansprüche an ihr Transportmittel. Und die Luftfahrtindustrie ist jetzt so weit, dass sie diese Ansprüche auch erfüllen kann. Sie folgt der Evolution in anderen Sektoren, etwa in der Yachtbranche – wo Schiffe schon längst den privaten Wohn-, Arbeits- und Unterhaltungsbereich ihrer Eigentümer erweitern. Vor allem Eigner mit größeren Portfolios legen verstärkt Wert darauf, dass die Räume, in denen sie sich bewegen, von einem einheitlichen Stil geprägt sind – zu Wasser, zu Land und in der Luft. Wenn es um die Gestaltung ihrer Privatjets geht, wenden sie sich deshalb oft an die Designstudios, denen sie schon ihre Wohnsitze anvertraut haben. Zum Beispiel an Winch Design, ein britisches Studio, das einige der elegantesten Häuser und Flugzeuge weltweit gestaltet hat.

Design passt sich individuellen Bedürfnissen an

Für Jetkabinen nutzt Winch Design die gleichen Farbpaletten und Materialien wie bei Immobilienprojekten.

„Pri­vatflugzeugbesitzer wünschen sich ei­nen ästhetischen Bogen für Haus, Büro und Jet“, sagt Greig Jolly, Partner bei Winch Design. „Im Jet nutzen wir des­halb die gleichen Farbpaletten und Ma­terialien, die am Boden, in Gebäuden, zum Einsatz kommen. So erfüllen wir unseren Klienten den Traum vom Da­heim für unterwegs.“ Auch die Pariser Agentur Pinto weiß, wie individuelles Jetdesign geht. Das von der Designikone Alberto Pinto gegründete Büro hat inzwischen mehr als 30 Privatjets gestaltet. „Die Kun­den wünschen sich ein Interieur mit eigener Identität“, sagt Pietro Scaglio­ne, künstlerischer Leiter bei Pinto. „Sie wünschen sich eine Einrichtung, die ihre individuelle Art zu leben und zu reisen widerspiegelt.“ Dank neuer Materialien und Technologien sind die Grenzen dessen, was an Bord eines Flugzeugs machbar ist, heute deutlich weiter gesteckt als noch vor wenigen Jahren. Proportional dazu sind die An­sprüche der Klienten komplexer gewor­den: „Die Anfragen werden spezifi­scher und detaillierter, vor allem bei der Ergonomie und der Modularität von Räumen. Oft wird auch gezielt die Integration neuer Technologien ge­wünscht“, erzählt Scaglione.

Die größte Veränderung liegt wohl in der Art und Weise, wie die Flugzeuge genutzt werden – nicht mehr nur als ge­schützte Rückzugsorte für Arbeit und Erholung. Immer mehr Besitzer wollen nun auch Gäste empfangen, Gesell­schaften unterhalten. „In einem unse­rer Projekte haben wir eine Showküche für den Privatkoch des Eigners inte­griert. In einem anderen lässt sich die Kabine leicht für verschiedene Nutzungen umwandeln: Es gibt Lounge­, Din­ner­, Meeting­ und Nacht-­Modi“, sagt Scaglione. Greig Jolly von Winch De­sign erklärt: „Wir gestalten das Inte­rieur in enger Abstimmung mit der Crew, erfahren so, wie der Bordser­vice funktionieren soll, können dann reibungslose Abläufe garantieren.“ Dass die Designer bei Privatjets vor besondere Herausforderungen gestellt sind, ist systemimmanent: Der Raum ist begrenzt, seine Form fest definiert. Es gibt wenig bis gar kein Tageslicht, dafür strikte Vorgaben in puncto Ge­wicht und Sicherheit, die die Auswahl von Material und Technik limitieren.

Bibliotheken und Kunstinstallationen an Bord

Trotz dieser Einschränkungen bleibt die Aufgabe im Grunde genommen die gleiche wie bei der Gestaltung von Immobilien: „Der Kunde soll sich wohlfühlen – und diese Limitierungen kaum bemerken“, sagt Jolly. Er erzählt von einem Eigner, der sei­nen Airbus ACJ319 so gestaltet haben wollte, „dass man Reisen nicht als läs­tige Pflicht empfindet, sondern als Kunst“, so Jolly. „Wir haben uns im ers­ten Schritt an unseren Architekturpro­jekten orientiert, uns von einer tradi­tionellen Bibliothek inspirieren lassen. Folgerichtig haben wir überlegt, wie sich diese Prinzipien auf das Jetdesign übertragen lassen.“ Als Resultat entstand eine elegante Lounge mit Ledersitzen. Die hintere Wand wirkt wie ein „profanes“ Bücherregal, dient aber als verborgener Ein­gang zur Mastersuite mit Lederboden, Sesseln und einem Sofa, das sich in ein Tagesbett verwandeln lässt. „Der Raum ist funktional, hat dabei gleich­zeitig eine friedliche, ruhige Aura. Er lädt dazu ein, sich mit einem guten Buch und Drink zu entspannen.“

Für den Besitzer einer Bombardier Global 5000 integrierte Winch Design eine große Kunstinstallation an der hinteren Trennwand. Der beauftragte Künstler malte sein kühnes abstraktes Werk direkt aufs Schott – mit eigens zertifizierten Materialien. Den Gästen des Eigners bietet das Bild jetzt regelmäßig inspirierenden Gesprächsstoff. Wenn das Design grundsätzlich aus­ gearbeitet ist, kümmert sich ein Innenarchitekt – wie das Büro Boutsen Design aus Monaco – um den Fein­schliff. „Wir denken oft stundenlang über Details nach: Wie lässt sich eine ungenutzte Ecke füllen, wie kann man ein bestimmtes Material zertifizie­ren?“, sagt Daniela Boutsen, Gründe­rin des Ateliers. Sie hat bei vielen Jet­projekten mitgewirkt, vor allem bei Airbus­ und Boeing­-Geschäftsflugzeugen für Staatsoberhäupter und Mitglie­der von königlichen Familien. Sie ko­operiert mit führenden Designfirmen wie Winch, beschafft und integriert in deren Auftrag alle Gegenstände, die nicht fest installiert werden – etwa Teppichläufer, Dekorationsartikel, Ac­cessoires für Bad und Schlafbereich oder das Geschirr.

Edle Naturmaterialien sind besonders gefragt

„Die meisten Menschen wünschen sich moderne, gleichzeitig komfortable Eleganz“, sagt Boutsen. „Sie wollen ed­le, dabei naturverbundene Materiali­en. Jeder Kunde hat seine individuelle Vorstellung davon, wie das dann kon­kret auszusehen hat. Meine Herausfor­derung ist es, mich an das jeweilige Projekt anzupassen.“ So hat Boutsen bei einem Jet eine sehr organische, natürliche Gestaltung umgesetzt – und einen anderen im Stil des Schlosses von Versailles ausgestattet. Und die Zukunft? Die Kluft zwischen dem, was am Boden geht, und dem, was sich an Bord realisieren lässt, wird in den kommenden Jahren weiter schrumpfen. Dass der Privatjet zu einem vollwertigen Zuhause über den Wolken werden könnte, ist keine kühne Vision – sondern nur noch eine Frage der Zeit und des finanziellen Einsatzes.