So inszenieren Serien das Leben von Superreichen

Von Succession bis The White Lotus: TV-Serien zelebrieren die Statussymbole der Superreichen – und inszenieren dafür vermeintlich detailgetreu deren Insignien. Doch wer nicht reich ist, weiß kaum, wie man sich fehlerfrei in dieser Welt bewegt. 
Text Jay Cheshes

Als die Serie Succession 2018 Premiere feierte, leisteten sich die Macher einen Fauxpas nach dem anderen: Die Satire über eine superreiche Familie, deren Angehörige sich gegenseitig bekriegen, stellte die typischen Verhaltens-Tics vermögender New Yorker anfangs völlig falsch dar. „Wir mussten uns sagen lassen, dass reiche Menschen beim Ausgehen keine Mäntel tragen, weil der Chauffeur sie direkt vor dem Lokal aussteigen lässt und auch dort wieder abholt“, sagt Mark Mylod, ausführen­der Produzent und Regisseur der Serie. Im Verlauf der Dreharbeiten lernten die Serienmacher schnell dazu. So kompilierten sie eine Art Knigge für superreiche New Yorker. „Wir haben alles in einer Datei gesammelt, das Do­kument dann wie eine Bibel benutzt“, sagt Mylod.

Wichtig für den Erfolg ist die Authentizität

Im Finale der ersten Staffel von Succession dient das englische Eastnor Castle als opulente Kulisse.

Erzählungen von Superreichen – und gemäß den Drehbüchern oft auch Su­perfiesen – bilden mittlerweile ein ei­genes Serien­-Subgenre: Da sind die fa­miliären Ränkespiele in Succession, die von Staatsanwälten geplagten Hedgefonds­-Manager in Billions und die Luxusurlauber im fiktiven Nobelre­sort The White Lotus (in dem zugegebe­nermaßen eher Normalreiche abstei­gen). Ob solche Serien dann nicht nur von den breiten Massen geliebt werden, sondern auch von denen, deren Lebensstil sie zeigen, hat viel mit Authentizität zu tun. Um ein perfektes visuelles Universum für den Medienmogul Lo­gan Roy und seine fiktive Sippe zu schaffen, durchforstete der Succession-­Produktions­designer Stephen Carter diverse Publi­kationen für Reiche, darunter den Robb Report. Er informierte sich über die Murdochs, die Bronfmans und an­ dere Dynastien, über ihre Anwesen, Autos, Yachten und die Vorstandseta­gen, in denen sie vertreten sind.

Von Fans werden die Serien oft peni­bel unter die Lupe genommen. In On­lineforen gibt es Listen aller Aston Martins, Bentleys und Ferraris, die Billions-­Protagonist Bobby Axelrod fährt, genauso wie Listen aller Uhren, die in Succession getragen – und gelegentlich weggewor­fen – werden. „Wir legen größten Wert darauf, die Details richtig abzubilden“, sagt Stephen Carter von Succession. „Gleichzeitig wollen wir subtil bleiben, die Produkte nicht fetischisieren. Das ist ein echter Balanceakt.“ Billions protzt offensiver, aus dramaturgischen Gründen: Schließlich erzählt die Serie, wie weit es der aus der Arbeiterklasse stammende Axelrod gebracht hat. „Wir zeigen, welche Privilegien Menschen mit extremem Reichtum haben“, sagt Michael Shaw, Produktionsdesigner der ersten beiden Staffeln. „Einen guten Wein können sich viele Leute kaufen. Ein ei­genes Football­-Team die wenigsten.“

Die richtige Kunst sagt etwas über die Figur aus

Im Kinofilm Glass Onion hängt der Rothko – hinter Dr. Lionel Toussaint – absichtlich kopfüber.

Häufig werden die Produktionssets der Serien wie Privathäuser inszeniert und die Ge­genstände vorher kuratiert. So kümmert sich Fanny Pereire, die an den Pi­lotfilmen von Billions und Succession mitgewirkt hat, um die Beschaffung von Kunst für Film und Fernsehen. Auch wenn die Werke selbst oft im Hintergrund bleiben, geben sie subtile Einblicke in eine bestimmte Szene oder Figur. „Wenn wir unsere Arbeit richtig machen, sagt die Kunst etwas über die Figur aus“, erklärt Pe­reire. Hochkarätige Kunst war deshalb von Anfang an wichtig, um das perfekte Ambiente für Billions zu kreieren. Bevor er die Kulisse von Axelrods Hedgefonds­-Büro in Connecticut ent­warf, besuchte Michael Shaw echte Investmentfirmen. „Bestimmte Künstler waren da gesetzt“, sagt er. „Aus Statusgründen ist es wohl fast ein Muss, einen Koons, Basquiat oder Warhol zu haben.“

Mobile Drehorte – Flugzeuge, Autos und Yachten – bringen eigene Heraus­ forderungen mit sich. „Die Autos in der Serie werden nicht allein deshalb aus­gewählt, weil sie stylish sind. Sie müs­sen dazu auch noch drehfreundlich sein“, sagt Stephen Carter. Und da eine Flugzeugkabine kaum dieses Kriteri­um erfüllt, ließ Carter ein detailgetreu­es, drehfreundlicheres Modell bauen. Vorab besuchte er Cabin Crafters, ein Unternehmen, das sich auf die Innen­ausstattung von Privatflugzeugen spezialisiert hat. Hier informierte er sich über spezifische Stoffe und Abmessungen. Als konkrete Inspiration diente dann unter anderem die Boeing 737 von Rupert Murdoch.

Fiktion und Realität verschmelzen miteinander

Der größte Erfolg für Menschen, die fiktive Welten gestalten, liegt wohl da­rin, ein Simulacrum zu erschaffen, das schließlich mit der Realität ver­schmilzt. Mit der Kulisse für die Büros von Axe Capital gelang dem Team von Billions genau das: Michael Shaw wur­de später von einer echten Investment­firma engagiert, um als Berater die Ge­staltung neuer Geschäftsräume in den edlen Hudson Yards zu begleiten. „Die Eigentümer der Firma wollten, dass sich ihre Büros wie die Welt von Bil­lions anfühlen“, sagt Shaw. „Das war dann ein Fall, in dem das Leben die Kunst imitiert hat.“