Der Mythos Ferrari

Beim „Women’s Drive“ bringt Ferrari Kundinnen zusammen, um ihnen ein unvergessliches Fahrerlebnis an der Côte d’Azur zu bieten. Spannender als das Programm ist nur, was abseits der Straße passiert.
Text Anna Walter

Der Regen fällt in großen Tropfen auf die Windschutzscheibe, durch die Autofenster rauschen Pinienwälder und Weinreben an uns vorbei. Der Himmel über Südfrankreich ist an diesem Wochenende grau, die kurvigen Straßen glatt vor Nässe. Direkt vor mir fährt eine belgische Unternehmerin mit ihrer Tochter. Dem Regen zum Trotz öffnet sie das Verdeck ihres Sportwagens und schwenkt lachend eine gelbe Fahne. Darauf ist jenes springende Pferd zu sehen, das überall auf der Welt unverkennbar für Pferdestärke steht. Das schlechte Wetter kann einem eben wenig anhaben, wenn man in einem Ferrari sitzt.

Ferrari setzt auf exklusive Kundenevents

15 Ferrari-Besitzerinnen nehmen am diesjährigen „Women's Drive” an der Côte d'Azur teil.

Unser Weg führt uns zum Château de la Messardière, das auf einem 10 Hektar großen Anwesen oberhalb von Saint-Tropez thront. Die imposante Auffahrt des Luxushotels ist mit Zypressen gesäumt, rechts und links vom Eingangstor wurden ebenfalls gelbe Flaggen gehisst. Es ist das zweite Mal, dass Ferrari seine Kundinnen bei einer exklusiven Tour zusammenbringt. Neben gemeinsamen Ausfahrten entlang der Côte d’Azur, stehen Sterneküche, Wein, Parfum und Kunst auf dem Programm. Drei Tage lang erleben die Ferraristi das Beste, was Frankreich zu bieten hat. 

Diesmal sind 15 Frauen aus verschiedenen Ländern dabei. Manche sind mit ihrem Auto aus der Schweiz oder Italien angereist, andere haben ihren Ferrari per Frachtschiff aus Norwegen anliefern lassen. Sie alle durften in Begleitung kommen. Die einzige Bedingung: Alle Teilnehmerinnen müssen weiblich sein. Tatsächlich ist die Zielgruppe von Ferrari in den letzten Jahren jünger geworden: Das Durchschnittsalter der Kunden liegt inzwischen bei 45 Jahren, 15 Prozent der Kundschaft ist weiblich. Statt auf prominente Markenbotschafter setzt man auf Kundenevents wie dieses, bei denen die Marke in einem exklusiven Rahmen erlebt werden kann. „Unsere Kunden sind unsere Influencer“, sagt die Pressesprecherin beim Abendessen und lächelt vielsagend. 

Der Ferrari-Konvoi löst Begeisterung aus

Am nächsten Tag bricht die Gruppe zu einem Weingut im Hinterland auf. Angeführt wird der Konvoi von Antonio Tamburini, einem ehemaligen Rennfahrer. Vor 32 Jahren hat der Italiener die 24 Stunden von Le Mans gewonnen, heute begleitet er Kundenevents von Saint-Tropez bis Shanghai. Ich steige in einen Ferrari Roma, der von den Italienern als „Formel 1 im Abendanzug“ vermarktet wird. Sobald die Türen des eleganten Coupés geschlossen sind, fährt das Lenkrad auf Position. Eine leichte Wischbewegung auf dem Touchpad genügt, um den dröhnenden V8-Motor zu starten. Der Gran Turismo zeigt, wie entspannt 620 PS sein können. Er rollt durch französische Dörfer und fliegt kurvige Landstraßen hinauf. Von 0 auf 100 km/h beschleunigt der Roma in lässigen 3,4 Sekunden und wer das Gaspedal durchdrückt, erreicht damit 320 km/h.

Schnell lassen sich im Straßenverkehr zwei Typen von Mitstreitern erkennen. Die stolzen Peugeots und Fiats, die es dem Ferrari beweisen wollen und die, die vor Ehrfurcht auch dort Vorfahrt gewähren, wo gar keine ist. Noch interessanter ist jedoch, was abseits der Straße passiert: Ganze Gruppen von Menschen bleiben mit ausgestrecktem Zeigefinger stehen und zücken ihre Handys. Entgegenkommende Fahrer hupen wohlwollend. Es wird gejubelt, gewinkt und geklatscht. Als sich der Verkehr entlang der Küstenstraße staut und der Konvoi in Schrittgeschwindigkeit an Beachclubs und Einkaufsmeilen vorbei gleitet, wird klar, was Ferrari fahren wirklich ausmacht – das Publikum.