Yachting Mit Abstand das Beste
Nahezu alle großen Yachtschauen sind verschoben worden. Aber die Werften waren unterdessen nicht untätig. Ein Ausblick.

Text: Marcus Krall
Selbstverständlich, sagt Sandra Ahrabian, wäre es im März und April sehr ruhig gewesen. Die große Unsicherheit sei das gewesen. Dann aber, so ab Anfang Mai, klingelte das Telefon wieder und stand seitdem eigentlich nicht mehr wirklich still – Anfrage über Anfrage erreichte die Grünwalder Spezialisten. Wenn man wissen möchte, wie es um die Bootsbranche steht, muss man eine exzellente Informantin bei einer Versicherung haben – wie die Vorstandsvorsitzende der Bavaria AG – oder jemanden in guter Position bei einer Industrievereinigung kennen. ClausEhlert Meyer, Geschäftsführer des Deutschen Boots und Schiffbauer-Verbands, konstatiert: „Die Bootsverkäufe in diesem Jahr befinden sich auf einem guten Niveau. Einige Zulieferer berichten gar vom besten Sommer ihres Berufslebens.“
DER PERFEKTE RÜCKZUGSORT
Deutschland fährt also wieder mehr Boot, so viel steht fest. Und so verwunderlich ist das auch nicht. In diesen Zeiten bietet ein eigener Kiel die vielleicht letzte große Freiheit: Man entscheidet – sofern man seinen Liegeplatz erreichen kann –, wohin man fährt, und praktiziert Social Distancing par excellence. Damit werben gar viele Brokerage-Häuser, die Makler des Yachtings, derzeit. Für Charterkunden bieten sie einen Door-to-Door-Service, also die Transfers mit desinfizierten Limousinen, Privatjets und Helikoptern, bis man die gemietete Yacht erreicht. Sales-Kunden werden eben damit zum Kauf motiviert, dass eine Yacht oder ein Boot einen perfekten Rückzugsort darstellt.
Was aber soll man kaufen, wenn man sich nicht auskennt und keinen Yachtnerd im Bekanntenkreis hat? Messen waren dafür in den vergangenen Jahren ideal, insbesondere die im Spätsommer an der Côte d’Azur. Da jedoch sowohl das Cannes Yachting Festival als auch die Monaco Yacht Show abgesagt wurden, sind auf den folgenden Seiten zumindest einige der Neuheiten gelistet, die auf diesen Shows gezeigt worden wären. Gut gemischt übrigens für unterschiedliche Budgets, Geschmäcker und familiäre Verhältnisse.
Wer beim Erwerb eines solches Assets indes bereits den Wiederverkaufswert im Kopf hat, dem sei als Erstes „eingeimpft“, dass sich neue Yachten kaum von neuen Autos unterscheiden. Einmal den Zündschlüssel gedreht, ist bereits eine Menge Geld „verbrannt“. Ein paar Kriterien, um diese Summe etwas zu minimieren, gibt es allerdings.
Im Trend liegen beispielsweise seit Jahren großvolumige Formate. Heutige Eigner möchten viel Raum auf wenig Länge. „Wenn es ginge“, so sagte einmal ein Sales Manager, der nicht genannt werden möchte, „würden manche Kunden sogar auf den Maschinenraum verzichten, um mehr Platz zu generieren.“ Ein chinesischer Kunde, so kolportiert der Küstenklatsch, hat solch ein Schiff gar übernommen und veranstaltet darauf im Hafen Business-Meetings und Partys – etwas, das man von den vertäuten Hausbooten in Amsterdam kennt. In jedem Fall kann Volumen als Werterhalt nicht schaden, genauso wenig wie eine bekannte Marke (Wally, Ferretti, Sunseeker, Frauscher, Riva) beziehungsweise ein für den Yachtbau renommiertes Herstellungsland (Deutschland, Italien, Niederlande, England). Wer sein Interior dann möglichst neutral gestaltet, findet später ebenfalls leichter einen Käufer oder auch Chartergäste, die die jährlichen Betriebskosten reduzieren – bei einer 25-Meter-Yacht kommen hier mal schnell rund 450 000 Euro zusammen. Helle Hölzer, italienische Möbel und möglichst viele Kabinen sind wichtige Kriterien; ein Beachclub gilt als Plus, ebenso große Fenster, ein geräumiges Sundeck und Balkone auf Salonhöhe oder gar in der Eignerkabine.
ZEUG ZUM BESTSELLER
Zu den aufregendsten Neuheiten, die in diesem Spätsommer präsentiert werden sollten, gehört jedenfalls die Riva 88’ Folgore. Entworfen von Oficina Italiana in Zusammenarbeit mit Piero Ferrari zeigt die 27-Meter-Yacht laut den Marketingstrategen der Werft einen SciFi-Look, den man – etwas weniger kryptisch – mit sportlichgefällig beschreiben könnte, und eine Klarheit, die man bei vielen Entwürfen heutzutage vermisst. Mit den großen Maschinen (MTU 2000 M96L) erreicht die Italienerin einen Topspeed von 38 Knoten und nimmt auf dem Unterdeck bis zu acht Gäste in vier Kabinen auf. Kombiniert mit der Reputation der Marke scheint die Folgore ein Bestseller im Riva-Portfolio zu werden. Genauso übrigens wie die 80 Power bei Sunreef. Mit ihr transferierte die polnische Werft das bei Seglern derzeit äußerst gefragte Katamaranprinzip auf eine Motoryacht und schuf so ein riesiges Loft auf dem Hauptdeck mit Esstisch, Sofalandschaft, Küche und Steuerstand auf einer Ebene. Tennisprofi Rafael Nadal ließ sich von dem Entwurf bereits überzeugen und gehört zu den ersten Kunden.
SCHNAPPATMUNG GARANTIERT
Die Zielgruppe mit viel Budget, aber wenig Lust auf eine eigene Crew setzt hingegen auf überschaubare Längen mit großem Stylingfaktor. Der Trend zu luxuriösen Daycruisern besteht bereits seit einigen Jahren und bekommt mit der 43 Wallytender und der SAY 42 sehenswerten Zuwachs. Während sich bei der Wally achtern das Schanzkleid abklappen und damit das Deck vergrößern lässt und das Image der Marke schon fast ein Kaufanreiz ist, gehört die SAY 42, komplett aus Carbon gebaut, noch zu den Geheimtipps. Hier legten die Autodesigner von KET Hand an, die Beschleunigung garantiert Schnappatmung. Wer nun überlegt, ob man überhaupt moralisch eine Yacht besitzen sollte: Diese Frage stellt man sich weltweit fast nur in Deutschland. Ein bekannter Eigner aus der Schweiz formulierte es einmal sehr schön: „Neid ist nicht mein Thema. Eine Yacht ist eine Investition in Lebensqualität.“

Die Helle – Absolute 64 Navetta –
1. STARK VERGLAST In den Rumpf schnitt die Werft große Fenster, um die Kabinen mit Tageslicht zu uten.
2. IM TREND Eigner verlangen heutzutage große Sundecks. Manche verbringen hier den ganzen Tag.
3. ITALIENISCHER CHIC Der Interior-Vorschlag von Absolute sieht warme Töne und frei stehendes Mobiliar vor. Ein Basispreis für die Yacht steht noch nicht fest.
© PR / Absolute 64 Novetta

Die Geräumige – 80 Sunreef Power –
1. LOFT ZUR SEE Die 80 Sunreef Power ist als Katamaran konzipiert und bietet damit wesentlich mehr Fläche auf dem Hauptdeck als ein Einrümpfer. Der Salon samt Esstisch, Sofas, Küche und Steuerstand ist etwa zehn Meter breit.
2. BESTER BLICK Wer vor dem Aufbau Platz nimmt, genießt ein fantastisches Fahrerlebnis. Die vier Gästekabinen der Yacht befinden sich übrigens in den Rümpfen. Preis: rund 5,8 Millionen Euro.
© Josh Czachur/Breed Media

Die Schnellste – AB 80 –
1. SCHÖNER SCHNITT Die Aussparung im Schanzkleid lässt viel Tageslicht in den Salon. Übernachten können auf dem Unterdeck bis zu acht Gäste. Die AB 80 kostet ab 6,2 Millionen Euro.
2. FLACHES PROFIL Die AB 80 unterstreicht schon durch ihre Linien ihre Performance. Die 25 Meter lange Kompositkonstruktion erreicht einen Topspeed von 58 Knoten. Von Miami zu den Bahamas benötigt sie nur 90 Minuten.
© A&B Photodesign

Die Innovative – Prestige X70 –
1.LUFTIG, LUFTIG Prestige bezeichnet das Modell als Crossover-Yacht. Das Layout verzichtet auf Seitendecks, dadurch wird der Salon immens verbreitert.
2. DREI ODER VIER? Die Kabinenkon guration auf dem Unterdeck kann auf sechs oder acht Gäste angepasst werden.
3. BADESPASS Selbst ein kleiner Beachclub ndet auf der X70 Platz. Prestige verlangt für die ungewöhliche Yacht ab 2,25 Millionen Euro.
© www.jfromero.fr/

Die Fortschrittliche – Arcadia Sherpa –
1. FRISCHER WIND Arcadia ist eine recht junge Werft aus Neapel, die mutige Eigner anspricht. Die 24 Meter lange Sherpa XL ist mit maximal 22 Knoten unterwegs; bei zehn Knoten liegt die Reichweite bei 1500 Seemeilen.
2. SONNENPOWER Um drei Kilowatt zu erzeugen, nutzt die Sherpa XL Solarzellen auf dem Salondach. Das Interior ist minimalistisch. Preis: ab knapp fünf Millionen Euro.
3. XXL-DECKS Al fresco bietet die Sherpa reichlich Platz für Sonnenanbeter. Die Liegen im Heck sind ein Alleinstellungsmerkmal.
© Alberto Cocchi

– Spirit 111 –
1. PURE ELEGANZ Spirit Yachts realisierte diese knapp 34 Meter lange Slup für einen Kunden aus Übersee. Die englische Werft baut komplett aus Holz und integrierte einen Elektroantrieb samt BMW-Batterien, sodass die Yacht vier Tage autark bleibt.
2. ORGANISCHE FORMEN Das Interior der Spirit 111 stammt von Rhoades Young und bricht mit traditionellem Yachtstyling. Betten ähneln Nestern, das Layout ist kurvenreich.
© PR/ Spirit 111

Das Statement – Riva 88’ –
1. STYLISH Zusammen mit Piero Ferrari – ja, aus der Ferrari-Familie – entwarf Officina Italiana Design diese sportliche 27-Meter-Yacht mit einem Topspeed von 38 Knoten. Wer Eindruck machen und Reputation kaufen möchte, nimmt Riva.
2. PARTYTIME Die Linien der Riva 88’ Folgore, hier die Wasserung von Baunummer eins, sind fixiert. Innen hat der Eigner nahezu freie Dekorwahl. Preis: ab 6,3 Millionen Euro.
© Maurizio Paradisi

Die Investition – Swan 98 –
1. HÖCHSTE QUALITÄT Yachten von Nautor’s Swan aus Finnland gelten unter Seglern als höchstes Gut. Die Swan 98 wurde von Germán Frers gestaltet.
2. MARITIMER TOUCH Das Interior entwickelte Misa Poggi. Es gibt drei verschiedene Stilrichtungen – Classic White, Traditional Navy, Wine Cowes und Spirit of Finland.
3. SKANDINAVISCH UND GEMÜTLICH Seitdem der italienische Ferragamo-Trust die Werft übernommen hat, mischen die Skandinavier in puncto Einrichtung ganz vorn mit. Der Eigner schläft entweder im Bug oder Heck.
© Eva-Stina Kjellman

Die Leichte– SAY 42 –
1. SCHNELL UND AGIL Die Konstruktion der SAY 42 verspricht Fahrspaß auf höchstem Niveau und Geschwindigkeiten bis zu 50 Knoten. Gebaut wird das 13-Meter-Boot im Allgäu aus Carbon, besitzt reichlich Liegefläche und sogar eine extrem geräumige Kabine.
2. + 3. KLARE LINIEN KET aus München schuf den Look der SAY 42. Auffällig sind die großen Teakflächen, das Bugfenster und die riesige Badeplattform. Preis: ab 681 000 Euro.
© PR/ Say 42

VOLUMEN GILT
Peter Hürzeler, Managing Partner von Ocean Independence, einem der führenden Yacht-Brokerage-Häuser.
Wie wichtig ist das Segment bis 30 Meter Yachtlänge in Ihrem Unternehmen?
Ein sehr wichtiges, und es macht bei Ocean Independence traditionell einen bedeutenden Teil des Gesamtumsatzes aus. Für viele Eigner ist die erste große Yacht mit Besatzung zwischen 24 und 30 Meter lang. Später steigen viele dieser Käufer auf und erwerben ein größeres Format, vorwiegend übrigens dann auch wieder mit und bei Ocean Independence.
Vergrößern sich erfahrungsgemäß alle Eigner einer solchen Yacht?
Nein, das sicher nicht. Eine 30 Meter lange Yacht bietet ja beispielsweise bereits ein anständiges Volumen und mindestens vier, mitunter auch fünf Kabinen. Mit solch einer Yacht sind sie für eine Reise von einer oder zwei Wochen Dauer eigentlich gut ausgestattet; auch Charterkunden mögen diese Größe. Selbstverständlich – und davon lebt ja auch der Markt – entstehen bei Eignern Bedürfnisse nach Features wie Fitnessräumen, Beachclubs oder Spa-Bereichen. Das ist natürlich erst ab einer gewissen Yachtgröße darstellbar.
Welche Features werden auf Yachten bis 30 Meter Länge stark nachgefragt?
Eigner wünschen sich so viel Volumen wie möglich und ein lichtdurchflutetes Interior. Große Sundecks und eher zeitlose Gestaltung sind wichtig. Ein nicht zu altes Baujahr ist auch ein Merkmal, auf das geachtet wird. Wer mit dem Chartergedanken spielt, fragt nach Angeboten mit möglichst vielen Kabinen.
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