George Rouy: Der jüngste Künstler bei Hauser & Wirth

„Die Arbeit als Künstler kann ziemlich einsam sein“, sagt George Rouy, während er entspannt bei sich zu Hause auf dem Bett liegt. Sein Zuhause, das ist eine ehemalige Kirche im englischen Faversham. Die Buntglasfenster des Gebäudes lassen zwar Licht ins Innere fallen, aber sie erlauben keinen Ausblick auf die kleine, alte Stadt an der Südostspitze Englands, etwa 80 Kilometer von London entfernt. Kein Wunder, dass sich Rouy, der hier allein lebt, manchmal etwas isoliert fühlt. „Einen Eindruck von Schwere“ habe er mitunter, erklärt der 30-Jährige, und wahrscheinlich sei das der herausforderndste Aspekt an seiner Künstlerkarriere.
Erste Solo-Ausstellung heißt „The Bleed”

Dabei ist er hier nicht allein, Gesellschaft hat Rouy durchaus – und zwar in Form der abstrakten Figuren, die auf seinen ausdrucksstarken Gemälden miteinander verschmelzen. Sie seien aber keine besonders guten Gesprächspartner, sagt er: „Manchmal fühlt sich das alles an wie eine seltsame Art von Wahnsinn.“ Zuletzt arbeitete er an den Gemälden für The Bleed, eine zweiteilige Werkschau, gleichzeitig seine erste Solo-Ausstellung bei Hauser & Wirth. Damit wird er zum jüngsten Künstler im Portfolio der Mega-Galerie. Auch die Hannah Barry Gallery in London wird ihn weiter vertreten. Die Hälfte dieser Arbeiten ist im Februar 2025 in Los Angeles zu sehen, wo dann zeitgleich die Frieze Art Fair läuft.
Zentraler Bestandteil vieler seiner Werke ist ein Körper, der von anderen getragen wird. Rouy sagt, dass er sich damit auf Jesus Christus bezieht, aber auch auf Motive von Trauerprozessionen, Babys und die Idee von Schwerelosigkeit. „Es geht um das Wesen des Menschen in seiner Ganzheitlichkeit“, sagt er. Aufgewachsen ist Rouy nicht weit von Faversham in der Stadt Sittingbourne. In der Schule lief es nicht so gut, aber für die Kunst begeisterte er sich schon früh. „Das war immer meine Sprache“, sagt er. „Im Atelier habe ich mich wohlgefühlt, war ruhig und zufrieden.“ Vielleicht hat er seine künstlerische Begabung bereits als Kind entwickelt, vielleicht ist sie durch den Zuspruch der Eltern gediehen. So oder so, das Talent liegt wohl in der Familie: Auch seine Schwester und sein jüngerer Bruder sind Künstler geworden.
George Rouy fokussiert sich auf Malerei

Vor allem die figurative Kunst hat Rouy von Beginn an fasziniert. Doch im Kunststudium war sie nicht en vogue, also versuchte er sich an anderen Ausdrucksformen. „Ich habe alles dekonstruiert“, erinnert er sich. „Erst nach der Uni habe ich mich wieder in die Malerei verliebt.“ Zwei, drei Jahre brauchte er, um seinen Stil neu aufzubauen. Dabei entwickelte er jenen reifen Ausdruck, für den er heute bekannt ist.
Wenn er nach Inspiration sucht, ist Rouy ein typischer Millennial: Er fahndet in digitalen Universen nach faszinierenden Bildern und nutzt sie dann, um per Photoshop Collagen herzustellen. Doch letztendlich geht es ihm nicht um diese Collagen. Er verwendet sie nur als Zwischenschritt, greift dann zu Pinsel und Farbe. Die erste Acrylschicht, die er aufträgt, mutet noch recht realistisch an. Die folgenden Schichten werden abstrakter. Formen verwischen zu einer Dynamik, die Bewegung, aber auch Angst und Chaos suggeriert. Seine Arbeit, sagt Rouy, habe etwas Existenzielles.
Künstler nennt Digitalkultur als Inspiration
Zum Schluss nutzt er Ölfarben. „Für das gewisse Etwas“, sagt Rouy. „Öl hat diese wunderbare Schwere und Dichte. Da kann Acryl nicht mithalten.“ Seine Nass-in-Nass-Malerei lässt die Leinwände regelrecht leuchten – ein Effekt, der an strahlende Bildschirme erinnert. Spielt er so gezielt auf die Digitalkultur an? „In unserer Zeit kann ich gar nicht vermeiden, dass meine Bilder durch moderne Technologie beeinflusst sind. Aber das bedeutet noch lange nicht, dass sich die Bilder auch auf diese Technologie beziehen.“
Mit seiner schlanken, fast hageren Gestalt und dem kurz geschnittenen, blondierten Haar erinnert Rouy an einen Punkrocker. Tatsächlich hat er lange in Punkbands Bass gespielt und gesungen. „Dass ich dabei mit anderen Leuten zusammenarbeiten musste, hat mich aber wahnsinnig gemacht“, berichtet er. „Ich mag es, allein im Atelier zu sein. Hier bin ich frei, kann machen, was ich will.“ Kooperationen mit anderen Kreativen vermeidet er deshalb. Nur für die Tänzerin Sharon Eyal hat er zuletzt eine Ausnahme gemacht.
George Rouys Gemälde dienen als Bühnenbild
Eyals avantgardistische Choreografien haben ihn regelrecht begeistert; die Israelin hat auch seine Ideen von Figuren und Bewegung geprägt. Gemeinsam mit ihr hat er nun zwei Performances entwickelt; die neueste wird 2025 in Europa und Amerika aufgeführt. Das Bühnenbild besteht aus Gemälden von Rouy, der auch die Musik komponierte, dafür Cello und Synthesizer einband. Sogar bei den morgendlichen Aufwärmübungen der Tänzer hat er mitgemacht. „Ich habe das genossen“, sagt er. „Aber irgendwann kam die Zeit, in die Einsamkeit meines Ateliers zurückzukehren. Das war schon etwas traurig.“