So bringt der Lexus LC 500 den Puls zum Rasen
Mein Hausarzt sagt, er beneide mich. Denn obwohl ich einem recht intensiven Job nachgehe, obwohl ich weder Leistungssport treibe noch übermäßig gesund lebe, nicht an einer Herzinsuffizienz leide, liegt mein Ruhepuls gewöhnlich bei sparsamen 54 bpm (Schlägen pro Minute). Meine Mitmenschen erreichen so eine Frequenz meist nur im Tiefschlaf. Als ich den Autoschlüssel vom Lexus entgegennehme, bin ich also hellwach. Die Pulsmesser-App sagt: 79. Vielleicht liegt es daran, dass mir der Schlüssel in einem verlassenen Parkhaus in Ostberlin übergeben wird. Das hat schon etwas sehr Konspiratives an sich. Oder der Grund ist der passende Wagen zum Schlüssel. Eine Rarität unter den seltenen Fahrzeugen: der Lexus LC 500. Es ist wahrscheinlicher, zufällig die ISS am Nachthimmel vorbeiziehen zu sehen als einen LC auf der Autobahn. In Zahlen ausgedrückt: Im vergangenen Jahr wurden unter den Sportwagen 9314 Porsche 911, 1211 Mercedes-AMG GT und 500 Jaguar F-Type zugelassen. Beim LC 500 waren es 78. Mein Puls: 82.
Bei Lexus arbeiten Takumi-Meister
Nun stehe ich einem von ihnen gegenüber, betrachte die elegante, sportliche Silhouette des kupferroten Cabrios mit schwarzem Stoffverdeck, blicke auf die filigran gearbeiteten zweifarbigen 21-Zoll-Räder, beobachte meine Herzfrequenz und sehe, dass sie noch einmal angestiegen ist. Denn das markante Design ist nur ein Detail unter vielen, das beweist: Lexus denkt anders als europäische Hersteller. Die noble Toyota-Tochter setzt eigene Maßstäbe. Ein Beispiel? In diesem, mit dunklem Leder überzogenen Armaturenbrett stecken mehr als 60.000 Stunden Erfahrung. Denn es ist unter der Anleitung eines Takumi-Meisters entstanden, die bei Lexus federführend an der Entwicklung der Premium-Fahrzeuge beteiligt sind.
Wer sich in Japan Takumi nennen möchte, muss 60.000 Arbeitsstunden in einem Gewerk nachweisen können. Sattler, Mechatroniker, Designer, Ingenieure – Lexus hat 19 Takumis. Und sie arbeiten alle nach dem Prinzip des Kaizen, der ständigen Verbesserung der eigenen Arbeit. In Zeiten von gnadenloser Effizienz und omnipräsenten Sparmaßnahmen ist allein das Vertrauen auf erfahrene, ältere Mitarbeiter ein Luxus, den sich nur wenige Unternehmen leisten. Während Jagd auf möglichst junge, günstige Fachkräfte gemacht und jeder noch so kleine Prozess ausgelagert wird, vertraut Lexus auf Know-how, das tief in der Tradition japanischer Handwerkskunst verankert ist. Jung ist nicht besser. Sondern besser ist besser.
Das Design des LC 500 ist reduziert
Mein Puls: 62. Ich öffne den Wagen, die Griffe schnappen aus der Tür und versenken sich nach dem Einsteigen wieder. Der Sitz fährt sich automatisch in eine bequeme Position. Ich nehme mir einen Augenblick Zeit und fahre mit der Hand über das neue Leder, die sauberen Nähte und das sportliche, schlanke Lenkrad. Das Cockpit ist klar und deutlich. Reduziert bis aufs Maximum. Statt mit vielen Extras und unterschiedlichsten Materialien zu protzen, ist die Lexus-Philosophie eher: nur das Nötigste, dafür aber perfekt. Davon zeugt allein der Drehzahlmesser auf dem Fahrer-Display. Er lässt sich mechanisch verschieben und lockert so das digitale Display auf. Was schlicht nach modernem, schnörkellosem Design aussieht, ist auf einer jahrhundertealten japanischen Lebensphilosophie begründet: Omotenashi, übersetzt so viel wie „Gastfreundschaft“.
In Japan reicht dieses Prinzip jedoch weit über die Grenze der hierzulande mehr oder weniger gängigen Freundlichkeit bei Dienstleistungen hinaus. Omotenashi ist sehr viel holistischer gedacht: Du schaffst einen Raum, in dem sich dein Gast wohl- oder sogar zu Hause fühlt. Das beinhaltet den Service ebenso wie die Beleuchtung, die Geräuschkulisse, das Eingehen auf Wünsche des Gastes genauso wie das Verwenden möglichst hochwertiger Materialien oder Zutaten. Omotenashi ist in Japan überall. In Cocktailbars genauso wie im berühmten Shinkansen. Es ist eine Selbstverständlichkeit. Es ist übrigens auch der Grund, weshalb es in Japan kein Trinkgeld gibt. Übertragen auf Lexus heißt das: Als Fahrer fühle ich mich sicher und abgeholt. Ich weiß intuitiv, wo ich das Verdeck herunterfahre, wo ich in den Sport+-Modus wechsle, wie ich das Lenkrad auf meine Position einstelle … und wo ich den Wagen anlasse. Und so kommen wir zum eigentlichen Herz des Wagens: dem V8.
Motor vereint Kraft und Understatement
Mein Puls steigt auf 101. Ich drücke den Startknopf. Der Motor röhrt auf und sendet ein Echo durch die gesamte Garage. Ein 5-Liter-V8-Saugmotor mit 464 PS ist vieles. Aber nicht dezent. Ich muss laut auflachen: Nicht nur dieser Klang macht unweigerlich gute Laune. Sondern auch die Bestätigung des Pulsmessers, der mir anzeigt, dass mein Herz gerade einen kleinen Sprung gemacht hat. Lexus ist als Vorreiter in der Hybrid-Technologie bekannt. Lange bevor ernst zu nehmende Anstrengungen anderer Marken unternommen wurden, Verbrennungsmotoren durch Elektroantriebe zu ergänzen oder zu ersetzen, brachte Lexus 2005 den RX 400h auf den Markt. Ein Wagnis. Denn die Entwicklung kostete Unsummen, und das Ergebnis war ungewiss. Hybride wurden zunächst als vorübergehender Trend oder technische Spielerei belächelt, definierten aber unweigerlich die Zukunft der Mobilität.
Trotz allem: Nur weil du etwas gut kannst, heißt es nicht, dass du nur in dieser Sache exzellent bist. Lexus hatte noch einen anderen Anspruch: verdammt gute Verbrenner zu bauen, die auch in 50 Jahren noch einwandfrei funktionieren – und dabei unfassbar viel Spaß machen. Ich schalte auf Drive und fahre in Richtung Autobahn. Pulsschlag: 90. Die Straßen Berlins sind bis auf ein paar verstreute Club-Rückkehrer menschenleer. Ich habe freie Fahrt. Sobald ich das Gaspedal antippe, übertönt der Motor den Fahrtwind. Solange ich aber die Geschwindigkeit halte und herumcruise, läuft er still und zurückhaltend. Eine Eigenschaft des Lexus-V8, auf die die japanische Firma besonders stolz ist. Denn dieser Motor, der im Jahr 1989 eingeführt wurde, war eine Kampfansage an Mercedes, BMW und Cadillac. Er sollte beweisen: Kraft und Agilität sind vereinbar mit Understatement und Komfort. Dieser Motor ist ein MMA-Fighter mit Doktortitel in Japanologie.
Das letzte Modell mit V8-Motor
Anders als bei anderen Konzepten sollte der Achtzylinder im Sportmodus grollen und röhren, gleichzeitig aber die Möglichkeit bieten, ein Glas Champagner auf dem Beifahrersitz trinken zu können, ohne einen Tropfen aus dem Glas zu verlieren. So wurde diese Symbiose in der TV-Werbung von damals beschrieben. So funktioniert der Motor noch heute. Nach 35 Jahren Produktion ist in diesem Jahr jedoch Schluss mit dem V8. Lexus feiert seinen Abschied mit einer limitierten Edition des LC 500 sowie des Supersportlers RC F, der ebenfalls den V8 unter der Haube hat. Die freie Autobahn ist besser als jeder Champagner der Welt. 178: Mein Herzschlag ist vom Ruhepuls kilometerweit entfernt.
200, 230, 260 km/h. Keine Autos vor mir, keine hinter mir. Allein am Fahrtwind, der über mich hinweggeleitet wird, kann ich erahnen, wie schnell ich wirklich bin. Denn die Zahlen im Head-up-Display steigen zwar. Im perfekt gedämpften Innenraum des LC ist Geschwindigkeit aber relativ. Ich fühle mich sicher vom Sportsitz umschlossen. Die G-Kraft-Anzeige sagt mir, dass ich weiter stetig beschleunige. Aber es fühlt sich immer noch … zivilisiert und angenehm an. Der LC hat sein Limit noch lange nicht erreicht. Ich schon. Bei 270 km/h bremse ich herunter, halte den Wagen gerade, wechsle die Spur. Kurz blinzeln und verarbeiten, was da gerade passiert ist. Um dann wieder Gas zu geben. Dieses Auto macht süchtig. Für rund 123.000 Euro bekommt man einen voll ausgestatteten LC 500, für 13.000 Euro mehr die LC Ultimate Edition, in der bereits Alcantara-Ausstattung und viele Extras für die Rennstrecke enthalten sind.
Puls: 54. Ein Tag später schaue ich mit dem LC bei einem besonderen Stopp vorbei. Bei meinem Arzt. Er ist ein Autofan. Und beneidet mich jetzt umso mehr. Nicht wegen meines Ruhepulses. Sondern wegen meines Jobs. Er hat mir geraten, zur Vorbeugung von Herzerkrankungen meinen Puls öfter beim Cardio-Training in einen gesunden Bereich zu bringen. Oder mir einen Lexus zuzulegen.