„Wir wollen die erfolgreichste Performance-Marke der Welt sein”

Mit der Concept-Studie GT XX hat AMG-Chef Michael Schiebe die Latte für elektrische Hypercars extrem hoch gelegt. Wer besser sein will, muss 1360 PS und 360 Stundenkilometer schlagen.
Text Peter Würth
An der Spitze: Michael Schiebe leitet AMG seit 2023.

Michael Schiebe steckt in einem Dilemma – und macht daraus eine Zukunftsvision. Das Dilemma: AMG, das Unternehmen, dem er vorsteht, baut unheimlich begehrenswerte Verbrenner-Sportwagen. Das Kürzel steht für klassische Performance, die Produkte atmen die Nähe zur Formel 1. Die Kundschaft fordert Leistung, Leistung, Leistung. Und dann ist da die neue, die elektrische Welt. Der kann und will sich Schiebe nicht verweigern – weil niemand weiß, wie lange V8-Motoren politisch noch willkommen sind, weil E-Antriebe in manchen Weltgegenden nachgefragter sind als in anderen, weil die Power von E-Motoren auch Leistungsfetischisten reizt. Michael Schiebe, Vorsitzender der Geschäftsführung von Mercedes-AMG, will allen Interessenten das Beste anbieten. Will aus vollstem Herzen Technologieoffenheit zeigen und für die Zukunft gerüstet sein. Mit dem Optimum dessen, was AMG sich vorstellen kann.

Deshalb gibt es den AMG GT XX. Ein Concept-Car, das gerade um die Welt tourt, um das Interesse potenzieller Kunden zu wecken und eine ganz neue Klientel neugierig zu machen. Eine Studie, die das Beste beinhaltet, was den AMG-Ingenieuren eingefallen ist, um ihren Anspruch zu demonstrieren, auch bei den Vollelektrischen ein Hypercar zu bauen, wie es der AMG One bei den Verbrennern ist. Michael Schiebe und sein Team sitzen in der AMG-Zentrale in Affalterbach in der Nähe, aber trotzdem in gesunder Distanz zur Stuttgarter Konzernzentrale. Schiebe empfängt uns am Haupteingang und mit einer einladenden Geste bittet er uns, die geölte Maschine zu betreten, die verlässlich Performanz schafft.

Premiere: Mit dem GT XX präsentiert Mercedes-AMG sein erstes vollelektrisches Hypercar.

Was ist es für ein Gefühl, Chef einer solchen Unternehmensikone zu sein?

Es fühlt sich für mich nicht wie Arbeit an. Meine Partnerin sagt immer, Michael, das ist so, als wenn man ein kleines Kind in den Sandkasten setzte und sagte, du darfst jetzt spielen. So geht es mir eigentlich jeden Tag. Ich bin zu AMG, weil ich immer begeistert war von den Produkten. Wenn man die Möglichkeit bekommt, dieses Team zu leiten, ist das eine enorme Wertschätzung.

Was treibt Sie an?

Wir bereiten gerade den größten Produkt-Roll-out in der Geschichte von AMG vor. Mit unserem neuen Design, mit unseren neuen Technologien definieren wir jetzt die nächsten zehn Jahre. Ein AMG ist etwas wahnsinnig Emotionales. Wir haben Kunden, die können sich alles leisten. Sie haben teils sehr lange auf ihr Auto gewartet. Dann holen sie es ab und haben Tränen in den Augen. Das kann man sich nicht für Geld kaufen.

Eine straßentaugliche Rennmaschine: Die Concept-Studie AMG GT XX hat 1360 PS.

Wann ist die Fahrzeugentwicklung an einem Ende?

Wir haben das Automobil erfunden und gesehen, dass man es immer besser machen kann. Diese innere Unruhe der Ingenieure begeistert uns und vor allem unsere Kunden. Ich sehe noch kein natürliches Ende.

Der Rennsport galt lange als Innovationsquelle für die Serie. Gilt das heute noch?

Nach wie vor. So haben wir die Batterie für den GT XX zusammen mit unserem Formel 1-Team entwickelt. Da geht es um die Maße, um die Chemie, um das Performance-Management der Zelle, um Dauerhaltbarkeit, Wiederholbarkeit. In fünf Minuten tankt der GT XX Strom für 400 Kilometer. Da lernen wir eins zu eins.

Wie sehr wird das Serienfahrzeug dem GT XX ähneln?

Es ist technisch sehr nahe am GT XX - und dessen Fahrwerte können sich sehen lassen. Wir wollen ja Erkenntnisse daraus gewinnen, die wir 2026 in die Serie übernehmen.

Am Lenkrad zeigt ein farbiges LED-System Leistungs- und Ladeinformationen. 

Sie sind Betriebswirtschaftler. Wie viel verstehen Sie von Technik?

Man kann AMG nicht leiten, wenn man nicht technikbegeistert ist – und Technik nicht versteht. Ich habe Betriebswirtschaft studiert, aber noch ein Wirtschaftsingenieurstudium begonnen. Da bin ich noch nicht ganz fertig, ich pausiere (lacht). Affinität zu Technik hatte ich schon immer. Ich möchte mein Team challengen. Es ist mein Anspruch, alles zu verstehen und Guidance zu geben. Wir wollen die erfolgreichste Performance-Marke der ganzen Welt sein, dazu müssen wir wirtschaftlich Erfolg haben, aber auch auf der Rennstrecke abliefern. Das heißt in unseren Kreisen auf der Nordschleife. Ich vergleiche das immer mit dem Sport. Es ist sehr gut, wenn man seine persönliche Bestzeit läuft. Wenn es aber andere gibt, die schneller fahren oder schneller laufen, dann ist die persönliche Bestzeit nichts wert.

Fahren Sie selbst gerne schnell, und wer hat es Ihnen beigebracht?

Ich war letzte Woche mit einem unserer jungen Fahrdynamik-Ingenieure auf unserem Erprobungsgelände und habe versucht, mir viel von ihm abzuschauen, aber ich bin noch weit weg von seiner Performance. Ich bin begeistert vom Rennsport, aber ich glaube, dafür ist es einfach zu spät. Aber wenn die Kollegen mir beschreiben, wie sich ein Fahrzeug im Grenzbereich verhält, muss ich verstehen, was sie meinen.

Sie sind 42 Jahre alt. Sind Sie ein Karrieremensch?

Das klingt irgendwie negativ. Man muss lieben, was man macht, und flexibel sein. Man muss Menschen für Ideen gewinnen, eine Vision und Ambitionen haben. Und wissen, was man tut.

Die LEDs am scheibenfreien Heck könnten Botschaften verkünden – das ist aber in Deutschland verboten.

Hat die dann auch die neu entwickelte Motorentechnologie?

Ja. Die Axialfluss-Motoren sind effizienter, bringen mehr Output auf kleinerem Raum und eine höhere Dauerleistung. Wir wollen uns auch künftig über den Motor definieren und werden die Technologie in weiteren Elektrofahrzeugen einsetzen.

Die Aero-Wheels des GT XX helfen, den Luftwiderstand auf nur 0,198 cW zu senken. Hätten Sie gedacht, dass im Rad noch Potential steckt?

Wahrscheinlich nicht. Aber der Mensch hat so viel Kreativität und Motivation, Dinge weiterzutreiben. Wenn wir etwas Neues machen, muss es immer der Performance dienen.

Was wollen Sie alles auf der Elektroplattform AMG.EA bauen?

Das erste Fahrzeug, basierend auf dem Concept AMG GT XX, erscheint nächstes Jahr. Als zweites folgt kurz darauf der erste eigene AMG SUV.

Nach dem GT XX ist vor … ja, was eigentlich? Wie geht es weiter?

Unabhängig vom Antrieb wird es eine größere Präsenz geben. Wir haben eine boldere Designsprache gefunden, bei der man sofort erkennt: Das ist ein AMG. Der emotionale V8 hat unsere Fahrzeuge geprägt und wird es auch weiter tun. Parallel müssen wir dieses Gefühl aber auch in die elektrische Welt tragen. Wie schaffen wir etwas, das eines AMG würdig ist? Ich sage immer: „It’s an AMG first and an EV second.“

Der Beitrag wurde in Zusammenarbeit und mit freundlicher Unterstützung von Mercedes-AMG erstellt. Dabei wurden die Standards der journalistischen Unabhängigkeit gewahrt.