Kerstin Stenkat: „Stehen bleiben ist keine Option”

Den Mercedes-Stern trägt Kerstin Stenkat mit ziemlicher Sicherheit auch im Herzen, bei der Begegnung im Restaurant Sturmhaube auf Sylt trägt sie ihn zudem in Extragroß auf der Front ihres grauen Sweatshirts. Es ist nicht übertrieben zu behaupten, dass die Managerin Mercedes-Benz lebt: Inklusive berufsbegleitendem Studium ist sie seit 24 Jahren Teil des Konzerns, arbeitete mit Märkten wie den USA, China und Russland, und vor allem im Bereich Kundenservice, denn: „Das erste Auto verkauft die Sales-Abteilung, jedes weitere aber der After-Sales-Service.“ In der Kommunikation bewegt sie sich nun irgendwie zwischen diesen beiden Welten: Neue Kunden sollen für die Marke begeistert werden, die Zuneigung der bestehenden Kundschaft ausgebaut.
Von Berlin aus steuert Stenkat darum mit ihrem Team vielfältige Marketing-Aktivitäten für den deutschen Raum. Die Welt ist ebenso im Wandel wie ihr Unternehmen, da heißt es vorangehen, ohne den bereits zurückgelegten Weg zu vergessen. Die damit verbundene Verantwortung trägt die junge Mutter lässig. Sie referiert über Carl Benz und Gottlieb Daimler ebenso begeistert wie über die Chancen des digitalen Marketings.
Hier und jetzt auf Sylt gilt ihr Augenmerk aber einem anderen wesentlichen Baustein im Marketing-Repertoire von Mercedes-Benz: Stenkat hat zu einem „Fashion Moment“ eingeladen. Gute Kunden werden mit einer Fashion-Show des Berliner Brautmode-Labels Kaviar Gauche direkt am Strand von Kampen überrascht. Dort wird normalerweise nur sonnengebadet, geschwommen, die Hunde ausgeführt. Firmen-Events? Eigentlich undenkbar. Entsprechend beeindruckt sind die Gäste später. Doch was genau hat es mit Mercedes-Benz, der Mode und dem Marketing auf sich? Als „Women in Luxury“ stellt sich Kerstin Stenkat unseren Fragen.

Wie erklären Sie einem Branchenfremden Ihre Aufgabe?
Meinen noch jungen Kindern sage ich: „Mama macht Werbung für Mercedes.“ Das ist stark vereinfacht, trifft aber den Kern. Letztlich bin ich mit meinen Teams dafür verantwortlich, die Außenwahrnehmung für Mercedes-Benz-Pkw in Deutschland sicherzustellen. Es ist dabei eine Ehre, für eine der wertvollsten Marken der Welt arbeiten zu dürfen, zugleich ist es eine Herausforderung, die gewünschte Außenwahrnehmung zu halten. Ich vergleiche das mit der Bundesliga: Es ist vermeintlich einfacher, von Platz 15 auf Platz 5 zu klettern, als beständig Platz 1 zu verteidigen. Die große Kunst ist es, dabei stets den Fokus zu bewahren.
Wie führen Sie?
Marketing braucht nicht nur ein Außen, sondern auch ein Innen. Mir ist wichtig, dass jeder im Team Gestaltungsfreiräume hat. Es geht darum, Ideen zuzulassen und auch Neues zu machen. Da passieren auch mal Fehler, aber das ist nicht schlimm, das wird schnell korrigiert, und ich trage die Verantwortung dafür.
Marketing ist ein weites Feld. Welche Schlüsselerlebnisse prägen die Art, wie Sie arbeiten?
Unsere Arbeit wird von den extremen Veränderungen in der Technologie stark beeinflusst. Was ich in meinem Studium Anfang der 2000er-Jahre gelernt habe und wie ich Marketing heute erlebe: das sind fast zwei unterschiedliche Welten. Marketing ist viel datengetriebener geworden, es ist personalisierter und damit auch individueller geworden.

Inwiefern?
Die Möglichkeiten der Globalisierung und der digitalen Vernetzung schaffen ein Überangebot von Themen. Genau darum ist Individualität so wichtig, und genau darum glaube ich auch an die Kraft von kleinen, feinen Events im Community-Marketing. Es geht darum, wert- und dialogorientiert auf Kunden zuzugehen und ein Heimatgefühl zu schaffen, das bewirkt, dass sie sich gut aufgehoben fühlen und guten Gewissens auf eine Marke einlassen. So etwas entsteht aber nicht von heute auf morgen, sondern muss langfristig und konsequent aufgebaut werden.
War Ihr Job früher einfacher?
Das weiß ich nicht. Früher war früher, und heute ist eben heute. Sicher ist nur: Wir leben in unsicheren Zeiten. Da ist es unausweichlich, auch dann Entscheidungen zu treffen, wenn noch nicht alle Informationen vorliegen. Ich muss in mancherlei Hinsicht risikoaffin sein. Natürlich denken wir alle möglichen Szenarien durch, doch es bleibt immer die Ungewissheit, welches letztlich eintreffen wird. Stehen bleiben ist aber keine Option, also muss ich unter Abwägung aller Faktoren vorangehen, eine Entscheidung treffen, begleiten und notfalls auch korrigieren. Auch ich kann meinen Teams nicht sagen, wie die Welt in fünf oder zehn Jahren sein wird, aber ich weiß, dass wir eine starke Marke mit tollen Produkten und einen großartigen Gestaltungsspielraum haben. Ich fordere also Mut ein, in die Themen reinzugehen, nie stehen zu bleiben, neue Wege zu beschreiten und dabei wie ein Schwämmchen alle Informationen aufzusaugen, um gegebenenfalls neu zu justieren.
Sie arbeiten in einem Weltkonzern. Wie stellt man in so einem Unternehmen die Weichen um?
Wir sind rund 175.000 Beschäftigte, und wir ziehen alle gemeinsam an einem Strang – das heißt, Weichenstellungen ist immer ein Teamwork. Wir leben die Marke, und ich fühle mich nach wie vor mit den Gründungsvätern Carl Benz und Gottlieb Daimler verbunden. Wir haben mit unserer Tradition eine Verantwortung, und es liegt an uns, die Geschichte weiter voranzutreiben und so unsere Unternehmensgeschichte weiterzuschreiben.
Gibt es Rituale, die Sie durch die Woche begleiten und die für Ruhe im hektischen Alltag sorgen?
Der morgendliche Cappuccino mit meinem Mann ist mir wichtig. Das ist unser Moment, wo wir nur uns haben und uns besprechen. Ansonsten versuche ich, mich nicht zu wichtig zu nehmen, pflege meine innere Unabhängigkeit und versuche, mir meinen inneren Buddha zu erhalten. Ich werde nicht schnell aufgeregt oder emotional, das alte Sprichwort „In der Ruhe liegt die Kraft“ finde ich sehr zutreffend. Es ist wichtig, nie aus einem Affekt heraus zu handeln, sondern in sich zu gehen, abzuwägen und dann zügig Entscheidungen zu treffen.
Es heißt, dass Frauen fast immer in die Kaufentscheidung für ein neues Auto involviert sind. Was ist Ihnen persönlich besonders wichtig bei einem Auto?
Ich achte sehr auf das Design. Auch Gerüche sind mir wichtig, ich liebe darum zum Beispiel die dezente Beduftung bei unseren Autos. Außerdem bin ich ein totaler Komfortmensch, weshalb ich unsere Sitze mit Massagefunktionen großartig finde.
Was ist Ihr persönlicher Lieblings-Automoment?
Ich liebe es, Cabriolet zu fahren. Manchmal kommt beim Offenfahren einfach alles zusammen. Wenn ich durch eine laue Sommernacht fahre, es weht ein leichter Wind und aus den Lautsprechern kommt gute Musik – vielleicht etwas von Clueso oder Angie Stone: Das ist für mich ein sehr berührendes Gefühl von Freiheit.
