Luxusuhren Bucherers Coup
Text: Michelle Mussler
Die Uhrenbranche zählt zu den anspruchsvollsten überhaupt. Seit Jahrzehnten diktieren die Nobelmarken nicht nur die Preise, Absatzkanäle und Stückzahlen, sondern gängeln Konzessionäre und Uhrenkunden mit Auflagen. Manchmal muss man sich sogar um ein Liebhaberstück inklusive Berufsangaben schriftlich bewerben, obwohl man bereit ist, einen sechsstelligen Betrag zu investieren. Markenstrategie nennen das die einen, Arroganz die anderen.Inzwischen ist jedoch ein neuer Zeitgeist angebrochen. Vor allem finanzkräftige Millennials und versierte Uhrensammler lehnen die selbstverliebten Allüren mancher Luxuslabels immer häufiger ab. Sie verlangen Transparenz, faire Gegenwerte und emanzipieren sich. So entwickelte sich auch durchs Internet ein riesiger Parallelmarkt für gebrauchte Uhren. Auf etwa 15 Milliarden Euro schätzt Bain & Company das jährliche Marktvolumen, somit größer als jenes mit neuen Uhren. Tendenz stark steigend, weil viele in Zeiten der Nullzinspolitik Zeitmesser als alternative Wertanlage betrachten. Da liegen die Vorteile beim Onlinehandel auf der Hand: Als Uhrenfan weiß man schnell, für wie viel und wo es die Wunschuhr zu kaufen gibt. Der Nachteil: Fotos und Beschreibung allein vermitteln keinen zuverlässigen Eindruck vom Zustand. Oft sind Modelle gefälscht – zumindest teilweise, indem das Gehäuse und Armband original sind, jedoch das Kaliber ein anderes.
Dieses Dilemma und die neuen Kundenbedürfnisse hat Bucherer längst erkannt und unternimmt seit über drei Jahren einen cleveren Schachzug nach dem anderen. Erst kaufte der Juwelier, mit Guido Zumbühl als CEO an der Spitze, die britische Kette The Watch Gallery, dann in den USA den größten Uhrenhändler Tourneau samt E-Shop für Vintage-Modelle. Prompt katapultierte er damit das Schweizer Familienunternehmen, das der 84-jährige und alleinige Besitzer Jörg Bucherer vom Stammsitz in Luzern regiert, zum größten Uhrenverkäufer der Welt. Geschätzter Jahresumsatz 1,6 Milliarden Euro, selbst kommuniziert Bucherer keine Zahlen. Außer dass man schon zuvor den ersten Platz als weltweit größter Rolex-Händler innehatte.
PRÜFUNG VON PROFIS
AUSWAHL Über 1000 Certified-Pre-Owned-Exemplare, von Omega über TAG Heuer bis Zenith, bietet Bucherer online an.
NICHT BEQUEM WERDEN
TREFFPUNKT Gelebte Kundennähe: Bucherer setzt in seinen CPO-Stores auf Loungeambiente und Sammlertreff.
Dieses Gesamtkonzept der Gallerys sowie der CPO-Boutiquen kommt derart gut an, dass es an anderen Standorten ausgebaut wird. Noch dieses Jahr soll zur Berliner Friedrichstraße eine weitere CPO-Boutique im KaDeWe eröffnet werden. Da ist es wieder: bloß nicht bequem werden.
Auch das ist neu: Pre-Loved-Modelle, wie viele Uhrenkenner sie auch bezeichnen, können bei Bucherer nicht nur gekauft, sondern auch verkauft werden. Wer ein Erbstück veräußern möchte, kann ein Onlineformular ausfüllen oder sich direkt im Geschäft ein Angebot einholen. „Das dauert im Normalfall keine 30 Minuten“, beteuert Lamprecht. Entweder lässt man sich den Betrag bei der Uhrenübergabe sofort auszahlen, oder man reinvestiert in eine Uhrenneuheit oder in CPO bei Bucherer.