Von der Traube bis ins Glas

Zum ersten Mal in der Geschichte öffnet Moët & Chandon seine Türen während der Erntezeit und gewährt dabei einen seltenen Blick hinter die Kulissen des weltweit größten Champagnerhauses.
 
Text Anna Walter

„In jeder Sekunde wird irgendwo auf der Welt eine Flasche Moët & Chandon geöffnet“, erzählt Kellermeister Benoît Gouez, während er seine Gäste durch den Weinkeller in Épernay führt. Das ist eine poetische Umschreibung dessen, was in der Luxusbranche gerne mit Diskretion behandelt wird: Die Verkaufszahlen. Rechnet man mit 3600 Sekunden pro Stunde, ergibt das 86.400 Flaschen am Tag. Das sind mehr als 31 Millionen Flaschen pro Jahr. Mit anderen Worten: Moët & Chandon ist die am meisten verkaufte Champagnermarke der Welt. Dass die Maison den Schaumweinmarkt dominiert, wird auch im unterirdischen Kalkstein-Labyrinth deutlich, in dem die Flaschen lagern. Die „Galerie Impériale“ erstreckt sich über drei Stockwerke und 28 Kilometer. Benannt ist sie nach ihrem ersten Besucher: Napoleon Bonaparte.

Champagner für Kaiser und Könige

Bereits 1781 begegnete Jean-Rémy Moët dem zukünftigen Kaiser in der Militärschule von Brienne-le-Château. Die jungen Männer schlossen eine enge Freundschaft, die maßgeblich zum Erfolg des Hauses beitrug. „Nach dem Sieg verdienst du ihn, nach der Niederlage brauchst du ihn“, soll der Monarch später über seinen Champagnerkonsum gesagt haben. Auf seine Feldzüge nahm er ausschließlich Flaschen von Moët & Chandon mit – und wurde so zum wichtigsten Markenbotschafter. Als Jean-Rémy Moët schließlich das Unternehmen seines Großvaters übernahm, machte er sich die Expansion zum Ziel. Bald zählten Königin Victoria von Großbritannien, Zar Alexander von Russland und Kaiser Franz II. von Österreich zu seinen Kunden. Im Stammsitz in Épernay erinnern heute noch zahlreiche Wappen an die Königshäuser, denen die Maison als Hoflieferant dient.

Es waren jedoch nicht nur Adlige, die der Marke zum globalen Aufstieg verhalfen, sondern auch eine ungewollte Champagnerdusche, die sich beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans ereignete. Dort stand der Champagner für die Siegerehrung zu lange in der Sonne und entwickelte einen so hohen Druck, dass sich der Korken beim Überreichen an den Sieger plötzlich löste. Ein Missgeschick, das nur ein Jahr später zum festen Ritual werden sollte: Der Rennfahrer Dan Gurney griff 1967 nach seinem historischen Le-Mans-Sieg zur Magnumflasche „Brut Impérial” und sprühte den Inhalt in die Menge. Was als Impulshandlung begann, wurde zu einer der nachgeahmtesten Traditionen im Motorsport.

„Brut Impérial passt zu jedem Anlass”

Einen Grund zum Feiern findet man bei Moët & Chandon immer: Sei es auf dem Podium der Formel 1, bei den US Open oder den Golden Globes – überall dort wird traditionellerweise „Brut Impérial“ getrunken. Die Grundlage für den Champagner bilden die Rebsorten Chardonnay, Pinot Noir und Meunier. Die Trauben stammen aus allen fünf Hauptanbaugebieten der Champagne. „Wir haben das Glück, Zugang zu etwa 282 der 319 Crus in der Region zu haben“, erklärt Benoît Gouez. „Diese Vielfalt ermöglicht es uns, die besten Trauben auszuwählen.“ Während Chardonnay für Finesse und Meunier für Fruchtigkeit sorgen, verleiht Pinot Noir dem Champagner Körper und Struktur. 

Neben dem klassischen „Brut Impérial“ reifen im Kellergewölbe auch besondere Raritäten. Um das Sortiment zu beschreiben, zieht der Kellermeister einen Vergleich zur Modewelt: „Unser Brut Impérial ist wie das kleine Schwarze. Er passt zu jedem Anlass“. Der Vintage-Champagner hingegen sei „wie ein maßgeschneiderter Anzug“, der die Eigenschaften eines einzelnen Jahrgangs hervorhebt. Die Spitze bildet die „Grand Vintage Collection“, die Benoît Gouez mit Haute Couture vergleicht – ein Verweis auf die Kunst der Assemblage. Zum 280-jährigen Bestehen des Hauses wurde jüngst die „Collection Impériale Création No. 1” lanciert, die sieben unterschiedliche Jahrgänge vereint. Die Edition ist streng limitiert und für jene Sekunden gedacht, auf die es sich zu warten lohnt.