Diese Weine lagern in Beton
Wenn großartiger Wein ein Kunstwerk ist, dann kann man das Eichenfass, in dem er typischerweise reift, als den Rahmen betrachten. Denn der sollte die besten Eigenschaften zur Geltung bringen. Aber genau so, wie ein prunkvoller Rahmen manchmal mehr Aufmerksamkeit auf sich zieht als das Gemälde, kann das Holz des Fasses die Fruchtigkeit überlagern und die wahre Schönheit eines Weines verbergen. Aus diesem Grund greifen immer mehr Kellermeister auf Beton zurück. Das neutrale Material lässt das Terroir – und die Besonderheiten des Jahrgangs – im Glas glänzen.
„Unser Ziel ist nicht, den perfekten Wein zu kreieren. Wir wollen einen Wein erschaffen, der die Geschichte und die Eigenschaften des Ortes erzählt, an dem wir leben“, erklärt Sebastián Zuccardi. Er ist Inhaber des Gutes Familia Zuccardi in Mendoza, Argentinien. Die Winzer des Landes verwendeten fast 300 Jahre lang betonartiges Material, bis der italienische Einfluss und mit ihm die Fässer Ende des 19. Jahrhunderts Einzug hielten. „Wenn man sich die Weingeschichte unserer Region anschaut, ist sie eng mit Beton verbunden“, sagt Zuccardi. „Für uns bedeutet Beton: zurück in die Zukunft.“
Gleichzeitig geht es auch darum, den aktuellen Marktbedürfnissen gerecht zu werden. Schwere, übermäßig tanninhaltige Weine verlieren bei Liebhabern an Reiz. Die wenden sich häufiger leichterer Kost zu. Der Einsatz von Beton ermöglicht es den Winzern, Weine mit frischerem Charakter zu keltern. Das liegt an der langsamen, gleichmäßigen Sauerstoffzufuhr, die diese Behälter gewährleisten. „Wir verwenden unbeschichteten Beton, da dessen Körnigkeit auch Sauerstoffreserven speichern kann“, erklärt Michel Chapoutier, Winzer im französischen Rhonetal. „Das erlaubt eine Oxidation, die weniger ausgeprägt ist als bei Holzfässern, aber stärker als in beschichtetem Beton oder in Edelstahltanks.“
Doch ganz so schnell werden die Holzfässer nicht verschwinden. Viele Produzenten kombinieren beide Methoden. „Das Problem bei Eichenfässern ist, dass die Sauerstoffzufuhr manchmal zu stark ist und die Traubenaromen oxidieren“, sagt auch Jérôme Ledit, Weingutsleiter bei Pym-Rae Tesseron Estate im Napa Valley. Er bevorzugt Beton, lässt jedoch einen kleinen Teil seiner Weine in Eiche reifen – für die Balance. Ein weiterer Vorteil von Beton ist die geringe Temperaturschwankung. Egal ob in Eiform oder großen rechteckigen Tanks, die dickeren Wände „verändern und übertragen Temperatur langsamer als Eiche“, erklärt Ledit. Das gibt den Winzern mehr Kontrolle über das Endprodukt – und wer eine der folgenden fünf Flaschen aus der Randspalte probiert, weiß: Die haben alles unter Kontrolle!
Zuccardi

2019 Finca Las Cerrilladas, Malbec Gualtallary, Uco-Tal, Mendoza, Argentinien
Dieser Wein wird aus 100 Prozent Malbec in epoxidfreien Betontanks vergoren. Dann wird er für ein Jahr in denselben Behältern ausgebaut und abgefüllt. Er duftet nach Schwarzkirsche, Pflaume, Oregano und Schiefer. Polierte Tannine und kräftige Säure stützen Aromen von Himbeere, Roter Johannisbeere und Cassis. Ca. 160 Euro.
M. Chapoutier

2016 Barbe Rac Châteauneuf-du-Pape, Rhonetal, Frankreich
Ausgewählte Grenache-Trauben von 90 Jahre alten Reben verwandeln sich in diesen Wein. Er reift etwa 16 Monate. Die Nase riecht Noten von Himbeere, Anislikör und mediterranen Kräutern. Am Gaumen präsentiert er geschmeidige Tannine und Aromen von Luxardo-Kirsche, Lakritz, Thymian und Schiefer. Herausragend ist sein lang anhaltender Abgang. Ca. 225 Euro.
Pym-Rae Tesseron Estate

2021 Mount Veeder, Napa Valley, Kalifornien
Dieses Weingut gehörte einst Robin Williams, der es nach den zweiten Vornamen seiner ältesten Kinder benannte. Die Cuvée aus Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc und Merlot wird in 1000-Liter-Betontanks vergoren und anschließend in Fässern aus Beton und Holz ausgebaut. Aromen von Brombeere, Kakaopulver und Bleistiftmine leiten über zu Geschmacksnoten von Schwarzkirsche, Lavendel, Nelke und Zigarrenkiste. Ca. 360 Euro.
La Chapelle

2021 Chevalier de Sterimberg Hermitage Blanc, Rhonetal, Frankreich
Aus 100 Prozent Marsanne wird dieser Wein in eiförmigen Betontanks und halb großen Eichenfässern, Demi-Muids, vergoren. Dann reift er sechs bis neun Monate. Die Nase findet Noten von Anjou-Birne, Jasmin und zerstoßener Austernschale. Am Gaumen kitzeln Aromen von Passionsfrucht, Ananas, Grapefruitschale und Orangenblüte, abgerundet von einem Hauch Brioche. Ca. 160 Euro.
Familia Torres

2021 Pazo Torre Penelas Blanco, Granito Albariño, Rías Baixas, Spanien
Seidig-weich wird dieser Weißwein in eiförmigen Behältern vergoren und acht Monate auf der Hefe ausgebaut. Anschließend reift er zwölf Monate auf der Hefe in Edelstahltanks. Aromen erinnern an Zitronenlimette, Jasmin, Kardamom und Meersalz. Am Gaumen zeigen sich Noten von Zitrone, Ananas und getrocknetem Thymian. Ca. 55 Euro.