Zukunftsgeschäft Psychedelika

Magic Mushrooms, Ketamin und MDMA: Forscher bestätigen die positive Wirkung von Psychedelika – und Start-ups nutzen die Substanzen, um exklusive Wellness-Erlebnisse zu konzipieren. Ein Geschäft von morgen?
Text Alyson Krueger
In mittelamerikanischen Ländern wie Mexiko, Jamaika oder Costa Rica sind psychedelische Trips legal.

Villa mit Meerblick, Yoga am Infinitypool, Gourmetmenüs zum Sonnenuntergang: Auf den ersten Blick wirkt der Urlaub, für den Mario aus München nach Mexiko reist, kaum ungewöhnlich. Doch auf dem Programm des Wellness-Retreats, das der Finanzberater dann im Regenwald bei Puerto Vallarta erlebt, steht noch etwas anderes: die Einnahme von Psilocybin – der Substanz, die in Magic Mushrooms, halluzinogenen Pilzen, enthalten ist.

Halluzinogene werden zum Lifestylephänomen

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Mario gehört zur Avantgarde eines Bewusstseinswandels, an dessen Schwelle die westliche Welt gerade stehen könnte. Noch vor wenigen Jahren interessierten sich nur Technojünger und Alt-Hippies für Psychedelika wie Psilocybin. Die Substanzen galten als abseitig, allenfalls als Partydrogen. Mittlerweile werden sie aber – vor allem in Nordamerika, mit Verzug auch in Europa – zum absoluten Lifestylephänomen: Stars aus Hollywood und Chefs aus dem Silicon Valley sprechen derzeit offen über ihre erstaunlichen Erfahrungen mit den Halluzinogenen. Start-ups entwickeln Retreats oder Zentren, wo Psychedelika in luxuriösem Rahmen eingenommen werden. Und namhafte Forscher bestätigen die erstaunliche Heilkraft der Wirkstoffe.

Als Mario das Retreat in Mexiko bucht, leidet er nicht an einer psychischen Störung, aber an Wutausbrüchen, die er loswerden will. Am zweiten Abend seines Aufenthalts liegt er neben dem Pool auf einer weichen Matte und geht auf die Reise in sein tieferes Ich. Ausgebildete Retreat-Guides bleiben in der Nähe, begleiten seinen psychedelischen Trip. Mario sieht sich selbst als Kind, erlebt Ereignisse aus seiner Vergangenheit wieder – manche fühlen sich warm und wohlig an, andere düster. Für Mario sind diese Erinnerungen erst mal schmerzhaft, er weint hysterisch. Doch später ist er bereit, mit neuer Offenheit über die Erfahrungen aus seiner Jugend zu reden. An dieser Stelle entfaltet sich die Heilkraft des Trips.

Neuer Ansatz zur Traumaverarbeitung

Drogen oder Wellness? Das wissenschaftliche Interesse an Halluzinogenen wächst. 

Neben Psilocybin rücken nun auch Ketamin und MDMA wegen ihrer möglichen Heilkraft in den Fokus. Ketamin ist in den USA und der EU unter bestimmten Bedingungen auf Rezept erhältlich. Die beiden anderen Substanzen dürfen nur von den Probanden genehmigter Studien legal konsumiert werden. „Diese Wirkstoffe lassen kritische Momente im Gedächtnis eines Patienten wieder aufleben“, erklärt Jennifer Mitchell, Professorin für Neurologie und Psychiatrie an der Universität von Kalifornien, das wissenschaftliche Interesse an den Drogen. „Psychedelika bieten einen ganz neuen Ansatz zur Traumaverarbeitung“, ergänzt Rachel Yehuda, Direktorin am Center for Psychedelic Psychotherapy and Trauma Research des New Yorker Krankenhausnetzwerks Mount Sinai.

Auch Menschen ohne klinisch relevante Störungen würden wohl von Psychedelika profitieren, auch wenn hier noch belastbare Langzeitstudien ausstehen. Eine Reihe von Start-ups, die Psychedelika zum Lifestyleprodukt machen wollen, stecken den Markt aber bereits heute ab. Eines von ihnen, Nushama, hat Jay Godfrey gegründet. In New York bietet sein psychedelisches Wellness-Center nun Ketamin-Trips, 35 weitere Standorte sollen in den kommenden fünf Jahren folgen. Experten rechnen damit, dass Psilocybin und MDMA zumindest in Nordamerika bald wieder legalisiert werden könnten – Psilocybin ist von ersten US-Staaten bereits freigegeben worden. Legal sind auch die Trips in mittelamerikanischen Ländern wie Mexiko, Jamaika oder Costa Rica.

Das Setting beeinflusst die Wirkung

Wissenschaftler, die Psychedelika erforschen, betonen die Bedeutung von Set und Setting. Ersteres meint die Haltung und Stimmung des Konsumenten (entspannt oder gestresst, besorgt oder freudig aufgeregt?), Letzteres die physische Umgebung (im Ritz, im Regenwald oder in einem kahlen Klinikzimmer, mit Freunden, Fremden oder ganz allein?). Anders ausgedrückt: Wer sich wohlfühlt, macht mit hoher Wahrscheinlichkeit eine positivere Erfahrung. Das Ambiente mancher Psychedelika-Zentren erinnert deshalb an Wellness-Spas. Ein amerikanischer Anbieter schickt Ketamintabletten auch zu seinen Kunden nach Hause; die Einnahme wird online begleitet.