Max Orgeldinger über NFTs

Der Wahlberliner berät Firmen bei der digitalen Transformation. In seiner Freizeit sammelt er digitale Kunst, Collectibles und Güter auf der Blockchain. Er verrät, was man über NFTs wissen muss.
Text Max Orgeldinger

Seit fast zwei Jahren habe ich ein Hobby, das bei vie­len ein Fragezeichen hervorruft. Ich investiere Zeit und einen signifikanten Teil meines Vermögens in das Sammeln digitaler Kunst, Collectibles und Gütern auf der Blockchain – NFTs. Kulturelle Artefakte und Kunst sind nur bedingt objektiven Regeln unterworfen. Selbst von den hochwertigsten Autos und Uhren schaffen es nur wenige, zu Kultobjekten zu werden. 

Unter Tausenden von begabten Künstlerinnen werden nur einige einige wenige so entdeckt und geför­dert, dass ihre Werke Massen erreichen und Millionen einbringen. Wel­che Sammelkarte, Modelleisenbahn, Figur oder Briefmarke die Fantasie von Sammlerinnen weckt, ist noch unberechenbarer. Während dieser kollektive Prozess in etablierteren Szenen über Jahrzehnte ausgehan­delt und kaum infrage gestellt wird, kann man ihn bei NFTs live in all sei­ner Absurdität beobachten.

CryptoPunks werden diskutiert und gehandelt

Ich habe meine Reise vor allem mit Neugier gestartet. Ohne eigene Haltung, Mei­nung oder Geschmack wurde ich vor allem von der Begeisterung der exis­tenten Community angezogen. Nir­gendwo war diese deutlicher als bei CryptoPunks. 10.000 Pixelbilder, die – unbemerkt von der Öffentlichkeit – über vier Jahre diskutiert und von einer kleinen Community gehandelt wurden. Diese Leiden­schaft hatte das ursprünglich kostenlose Experiment zum Zeitpunkt meiner Entdeckung so populär gemacht, dass selbst die günstigsten Exemplare bereits bei knapp unter 10.000 Dollar lagen. Einen Monat nach meinen ersten Be­rührungspunkten habe ich mir einen Punk für 14.000 Dol­lar gekauft. Es war eine Wette auf Geschichte und die Leidenschaft, die ich beobachtet hatte.

In einer jungen Szene muss man seine Meinung schnell bilden

Die kulturelle Signifikanz von Punks wurde seitdem von Auktionshäusern, Museen, Medien und Millionenkäufen verstärkt. Für viele jüngere Werke ist dieser Ausverhandlungsprozess noch in vollem Gange. In einer so jungen Szene muss man sich teil­weise schnell eine Meinung bilden. Viele heute teure Wer­ke konnte ich mir nur leisten, weil ich mit viel Bauchgefühl und wenig Recherche der Community gefolgt bin. Das geht nicht immer auf. Wie bei vielen Gleichgesinnten stapeln sich in meinem virtuellen Keller auch wertlose Eintagsfliegen. Ich ärgere mich dennoch viel mehr über die Gelegenheiten, die ich verpasst habe. Auf 100 Projekte, die ich gesehen habe, und zehn Projekte, die ich in Erwägung gezogen habe, kommt ei­nes, das es schafft, langfristige kultu­relle Relevanz zu erzeugen.

Der Besitz von kulturellen Artefakten fasziniert

Häufig sind es gerade die absurdesten und komplexesten Projekte. Als Mutant Garden Seeders von Harm van den Dorpel erschienen ist, habe ich es nicht gut genug verstanden und einen Moment zu lange gezögert. Die Kunst­werke sind so programmiert, dass sie sich für alle Zeit verändern. Der inno­vative Einsatz der Blockchain und die eigene Ästhetik haben mich über Mo­nate der Auseinandersetzung so begeistert, dass ich Mona­te später für das 30­Fache des ursprünglichen Preises zugeschlagen habe. Damit reiht sich das Werk ein in meine wachsende digitale Kunstsammlung. Und auch wenn sich der finanzielle Aspekt nicht ignorieren lässt, bin ich vor allem davon getrieben, diese auszubauen. Diese Faszina­tion für Eigentum von kulturellen Artefakten muss man nicht teilen oder verstehen. Sie ist aber Teil einer uralten menschlichen Tradition, die schon immer von irrationaler Leidenschaft getrieben war. Mir gefällt genau das.