Klaus St. Rainer und sein Dirty Old Bastard

In unserer neuen Kolumne lädt Klaus St. Rainer, der Chef der Goldenen Bar in München, an die Bar und serviert neben Gedanken einen Drink. Dieses Mal: seinen Dirty Old Bastard.

Lasst uns etwas klarstellen: Der Old Fashioned war nicht immer das, was er heute ist. Er war nicht immer der Goldstandard, an dem man eine gute Bar ablesen kann, er galt nicht immer als stilvolles Männergetränk – oder wie ich ihn gern nenne: eine Spirituose in einem schicken Kleid. Vielmehr war er ein Ladenhüter. Ein Freak in pompösem Kostüm. Vor gar nicht so langer Zeit servierte ich höchstens zwei in der Woche. Und jeder, der ihn bestellte, war mir suspekt und sympathisch gleichermaßen; damals schmeckte der Old Fashioned zweifelhaft süß. Eine Whisky-Caipirinha, gemuddelt aus einem Stück Würfelzucker, einer Cocktailkirsche, Zitrusspalten, zu wenig Schmelzwasser und noch viel weniger Raffinesse.

Das war in den Neunzigern, als ich mir in europaweit bekannten Bars wie dem Schumann’s in München meine Sporen verdiente. Woran lag das? Reisende importierten die Rezepte wie den Old Fashioned aus den USA. Dort wurden schon immer sehr viele Cocktails getrunken – aber leider selten gute, zumindest damals. Die Prohibition war schuld daran, dass Rezepte, die damals in der Not entstanden, teilweise bis ins neue Jahrtausend nicht mehr wie im Original gemixt wurden. Keiner machte sich die Mühe, alte Bücher zu wälzen. Und weil es weder Social Media noch eine lebendige Cocktail-Kultur gab, blieben frei interpretierte Rezepte lange bestehen: Alle schrieben voneinander ab. Ich selbst stieß erst Anfang der 2000er in einem Buch zufällig auf die Originalrezeptur des Old Fashioned aus dem 19. Jahrhundert und war baff. Ich realisierte: Der Drink war mal großartig.

1806 wurde der Cocktail als Mixgetränk das erste Mal schriftlich erwähnt. Beschrieben wird etwas aus spirit of any kind, Wasser, Zucker und Bitters, das man sich am besten als Tonikum zum Start in den Tag gönnt. Selbst für einen erfahrenen Barmann wie mich ein steiler Rat. Aber: Ärzte und Apotheker empfahlen es so; ein Schluck Brunnenwasser galt als der direkteste Weg ins Krankenhaus, scharfe Spirituosen waren das kleinere Übel. Da aber die Qualität dieser damals zu wünschen übrig ließ, entwickelten Bars Rezepte, die den Geschmack der Brände vollständig überdeckten. Jedes Mittel war ihnen dazu recht: Würfelzucker, Fischenzyme, Fruchtsalat. Die Auswüchse wurden so abwegig, dass Gäste um 1860 bald wieder nach einem Drink verlangten, der the old fashioned way zubereitet wurde. Ohne Schnickschnack, einfach zu verdauen.

So kam der Drink zu seinem Namen, so wurde der Name zum Synonym für ein puristisches Getränk, das sich im Laufe der Zeit durch zunehmend hochwertigere Zutaten auszeichnete. Bis dann 1920 die Prohibition kam und alles kaputtmachte. Angesichts seiner überaus edlen Herkunft und seiner langen Reise wollte ich den alten Herrn gebührend feiern. Deswegen griff ich bei meiner Hommage zu einem jungen, ungestümen Whisky wie dem Ardbeg Wee Beastie und reicherte ihn mit Schärfe, Rauch und dezenter, aber tiefer Süße und Bitterkeit an. Beim ersten Schluck von meinem neuen alten Bekannten war mir klar: Das ist ein dirty old bastard!

Rezept für den Dirty Old Bastard

Zutaten

50 ml Ardbeg Wee Beastie 5y Single Malt Whiskey

Sriracha Hot Chili Sauce

10 ml Lapsang-Souchong-Sirup

einige Dashes Sexy Bitters oder Angostura Bitters

Zubereitung

Einen 1 cm langen Streifen Hot Chili Sauce auf den Boden des Glases geben. Mit dem Tee-Sirup und ein paar Dashes des Bitters übergießen und verrühren. Whisky dazugeben und erneut verrühren. Nach und nach Eis zugeben und so lange rühren und Eis nachfüllen, bis das Glas bis knapp unter den Rand mit Flüssigkeit und Eis gefüllt ist. Der Drink braucht sehr viel Schmelzwasser, das beim Rühren entsteht. Lapsang-Souchong ist ein chinesischer Schwarztee. Für den Sirup eine Tasse sehr starken Tee kochen und die gleiche Menge Zucker wie Wasser darin auflösen.

Pflichtlektüre

„Homebar: Easy Cocktails für Zuhause” von Klaus St. Rainer