Klaus St. Rainer und sein Mint Julep

In unserer Kolumne lädt Klaus St. Rainer, der Chef der Goldenen Bar in München, an die Bar und serviert neben Gedanken einen Drink. Dieses Mal: seinen Mint Julep.

Auf dem Land vergeht die Zeit langsam. In Kentucky ist sie stehen geblieben. Der Staat im Südosten der USA ist für drei Dinge bekannt: Grünflächen, Zuchtpferde und Bourbon – daran hat sich in den letzten zwei-, dreihundert Jahren nichts geändert. Ein Drink bringt all diese Attribute geschmackvoll zusammen: der Mint Julep. Beim Kentucky Derby, einem der größten Sportereignisse der Vereinigten Staaten, läutet man traditionell mit der Mischung aus Bourbon, Zuckersirup und frischer Minze den Sommer ein. Als Fertigmix gehört er auf Gartenpartys und BBQs in den Südstaaten genauso dazu wie Bud Light und Pick-up-Trucks. Kurz: Der Mint Julep kann edel und billig, in jedem Falle ist und bleibt er aber populär – zumindest in den Staaten. 

Zu Besuch bei Jim Beam in Kentucky

Er ist einer der ältesten Cocktails, genau genommen sogar älter als das Wort Cocktail. Schriftlich erwähnt wurde er bereits Ende des 18. Jahrhunderts. In Europa fristet der frische Drink jedoch ein Nischendasein und wird kaum bestellt. Eigentlich wäre das schon Grund genug, ihn zu empfehlen. Doch für mich ist der Mint Julep noch weitaus mehr als ein Geheimtipp. Er ist eine Erinnerung an meinen guten Freund Fred. Fred Noe und ich lernten uns auf einer gemeinsamen Vortragstour kennen. Fred sprach über die Geschichte des amerikanischen Whiskeys, ich über Cocktails und Barkultur des 19. Jahrhunderts. Wir flogen von Stadt zu Stadt, zogen von Bar zu Bar und haben gemeinsam Dutzende Kater überstanden. Das schweißt eng zusammen. Schließlich lud mich Fred nach Clermont in Kentucky ein, um mir die Destillerie seiner Familie zu zeigen und damit ich mehr über Bourbon erfahre. Der Name der Firma: Jim Beam.

Freds Urahn Johannes Jakob Böhm, der sich später in Jacob Beam umbenannte, hatte 1795 die Whiskeybrennerei im Bourbon County gegründet. Der Ort prägte die Bezeichnung für den neuen Brand: Kentucky Straight Bourbon Whiskey. Jacobs Sohn David erbte die Destillerie und baute sie weiter aus. Ebenso tat es dessen Sohn David. Und sein Enkel James. Und dessen Sohn Jeremiah. Und nach ihm Booker Noe, schließlich Fred Noe. Die Destillerie wuchs analog zu ihrem Stammbaum. Als mich Fred in Kentucky empfing, erinnerte das Firmengelände in seinen Ausmaßen mehr an eine Ölraffinerie als an eine Destillerie für feine Brände. Über 500.000 Fässer jährlich werden an diesem und weiteren Standorten eingelagert, um die Nachfrage zu decken. Trotz allem grüßte Fred jeden Mitarbeiter beim Vornamen, als wir durch die Produktion und die schier endlosen Reihen von Eichenfässern schlenderten. Und er legte Wert darauf, mir zu zeigen, dass er auf Qualität und Tradition und nicht nur auf Masse setzte.

Booker's Bourbon als Grundlage für Mint Julep

So zeigte er mir auch, wo die Fässer für den Whiskey seines Vaters liegen: den Booker’s Bourbon. Sechs Jahre gereift, im obersten Fach der Fassregale, gleich unterm Dach der Lagerhalle, wo die Temperatur am höchsten ist. Im kühlen Schottland füllt man sehr hochprozentige Roh-Whiskeys in Fässer, lässt sie reifen. Dabei verdunstet Alkohol, und sie werden leichter. In Kentucky ist es andersherum: Durch das deutlich wärmere Klima verfliegt mehr Wasser, wodurch der Alkoholgehalt im Fass steigt. In beiden Fällen hat der Effekt einen poetischen Namen: Angels’ Share, der Anteil der Engel. Fred und ich verlangten auf unserer damaligen Tour in jeder Bar unseren Julep mit Booker’s Bourbon.

Ein Erlebnis, das ich niemals vergessen werde. Feurig. Kräftig. Süß. Ein echtes Cowboygetränk, das sicherlich nicht für jeden Gaumen gemacht ist. Gerade deswegen ist er für mich so besonders, gerade deswegen empfehle ich ihn für einen authentischen Mint Julep. Wer es etwas milder mag, dem lege ich Basil Hayden’s ans Herz: einen weiteren Premium Bourbon, der deutlich leichter ist, durch seinen hohen Roggenanteil auch weniger süß ist und bereits einen Hauch Minze im Aroma mitbringt. Fred und ich sehen uns mittlerweile nur noch sporadisch, alle Jahre mal. Aber immer wenn jemand einen Mint Julep ordert, stoße ich in Gedanken mit an. Auf Fred, auf Kentucky, auf gemeinsame unvergessliche Zeiten.

Rezept für den Mint Julep

Zutaten

  • 60 ml Kentucky Straight Bourbon Whiskey (Basil Hayden’s)
    10 ml Zuckersirup (oder ein Zuckerwürfel) 
  • 2–3 Zweige frische Minze 
  • Crushed Ice

Zubereitung

  • Whiskey, Zucker und Minze in einen Silberbecher geben und mit dem Löffelrücken rührend die Minze an der Innenseite des Bechers zerdrücken. 
  • Mit Crushed Ice auffüllen und kräftig aufrühren. Nochmals mit Crushed Ice toppen, damit eine schöne Eishaube entsteht. 
  • Die Spitze eines Minzzweigs in die Mitte des Drinks stecken und mit etwas Puderzucker bestäuben. 
  • Alternativ kann man auch 600 ml Whiskey mit 100 ml Zuckersirup und der frischen Minze in einer Flasche ansetzen und lässt sie ein paar Stunden im Kühlschrank ziehen. Dann muss man nur noch die mit Crushed Ice befüllten Becher aufgießen, und los geht’s. Wenn man nach einem Tag die Minze wieder aus der Flasche nimmt, ist der Premix gekühlt nahezu endlos haltbar.

Pflichtlektüre

„Homebar: Easy Cocktails für Zuhause” von Klaus St. Rainer