Sebastian Fitzek: „Umgib dich mit Menschen, die besser sind”
Es gibt erfolgreiche Schriftsteller, die plaudern bei Interviews gemütlich selbstverliebt, ohne auf die Uhr zu schauen. Bei Sebastian Fitzek ist das Gespräch auf die Minute genau getaktet. Denn sein Business läuft auf Hochtouren – was sich auch in seiner atemlos schnellen, fast druckreifen Sprechweise widerspiegelt. Vielleicht ist dieser Rhythmus auch ein Grund dafür, dass Schlaf nach seinem Bekunden bei ihm zu kurz kommt. Er lehnt sich nach vorne, stützt die Ellenbogen auf den Tisch, legt sein Kinn in die offenen Hände und erwartet unsere erste Frage. Also gut, verlieren wir keine Zeit, fangen wir an.
Herr Fitzek, Sie sind der Strippenzieher der Angst. Haben Sie vor der Veröffentlichung eines neuen Buches selber welche, nicht an alte Erfolge anknüpfen zu können?
Beim Schreiben gibt es immer Zweifel, ob das aktuelle Buch so gut wird wie die anderen.
Wie besiegen Sie die?
Indem ich mit mir selbst rede: „Wie war es, als du deinen ersten Roman Die Therapie geschrieben hast? Doch nicht für die Leserschaft. Die gab es damals noch nicht. Du wolltest einfach eine Geschichte verfassen, die du selbst gerne liest, in der Hoffnung, dass du nicht der Einzige bist.”
Ihr neuer Roman Elternabend ist – wie Sie selbst im Untertitel betonen – „kein Thriller“. Wäre ein Misserfolg daher leichter zu verkraften?
Ein Misserfolg würde wehtun, aber damit könnte ich viel besser umgehen, als wenn ich auf Kalkül geschrieben hätte. Ich hatte bereits 2021 die romantische Komödie Der erste letzte Tag veröffentlicht. Der war zwar ein Bestseller, hat sich aber nicht so verkauft wie meine Psychothriller. Rein marktwirtschaftlich gesehen dürfte ich also nur Letztere schreiben.
Könnten Sie sich Flops finanziell leisten?
Grundsätzlich ist Geld nicht meine Motivation fürs Schreiben. Ich würde auch dann schreiben, wenn mich niemand dafür bezahlen würde. Abgesehen davon hab ich durchaus finanziellen Druck, denn ich habe eine Firma mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Also großen Luxus brauchen Sie persönlich nicht?
Nicht wirklich. Ich habe mir mal einen kleinen, halb elektrischen Flügel gegönnt, aber die Anschaffung war völlig unsinnig, weil ich gar nicht Klavier spielen kann. Gold wert hingegen: meine Kaffeemaschine mit zwei Bohnenfächern. Damit kann ich ab 18 Uhr auf koffeinfreien Kaffee switchen.
Trotzdem haben Sie für Ihren Erfolg mehr getan als viele andere Autoren. Etwa indem Sie für sich Stände bei Literaturmessen gemietet haben, was ja unüblich ist.
Das stimmt. Ich habe den Verlag gefragt: Warum habe ich auf der Messe keinen Stand? Die Leute kommen doch dorthin, um die Autorinnen und Autoren kennenzulernen. Die Leute sollen sehen: Da brennt jemand für das, was er tut. Und so habe ich mich kurzerhand dort eingemietet.
Sie setzen aber nicht nur auf Leidenschaft, sondern auch auf innovative Konzepte und Marketing. Wie erklärt sich das?
Eigentlich begann alles mit einem Missverständnis. Für mein allererstes Buch wurde keine Lesereise geplant, weil man nicht glaubte, dass das ein Bestseller wird. Dann wurde ich doch zu einer Lesung eingeladen, und ich dachte mir: „Es ist absurd und langweilig, einfach vorzulesen. Viel wichtiger ist doch der Schlüssellochblick: Wie kommt ein Autor auf seine Ideen?“ Also habe ich einen Beamer in die Buchhandlung geschleppt und eine Präsentation zusammengeschraubt. Weil die Resonanz so positiv war, habe ich das ausgebaut und mir überlegt: Wie kann ich mit meinen Büchern ein weiteres Erlebnis schaffen?
Und deshalb sind Ihre Auftritte Multimedia-Events, bei denen Sie mit eigens komponiertem Soundtrack und musikalischer Begleitung auftreten?
Nicht unbedingt. Das mit dem Soundtrack mag zwar auch beim x-ten Mal funktionieren, aber ich frage mich jedes Mal: Welche Werkzeuge stehen mir noch zur Verfügung? Ich probiere lieber etwas Neues aus und scheitere, als es nicht zu versuchen.
Der Fitzek, ein Einzelkämpfer?
Das Gegenteil ist der Fall. Ich arbeite am liebsten gemeinsam mit kreativen Menschen wie Komponisten oder Regisseuren, die mir etwas beibringen und das 1000-mal besser machen, als ich mir das ausmalen kann. Das ist mein Tipp: Umgib dich mit Menschen, die auf ihren Gebieten besser sind als du selbst.
Was macht das mit einem Mann, der viel über Tod und Teufel schreibt?
Ich bin mir meiner Sterblichkeit bewusst und halte die Beschäftigung mit diesem Thema für sehr relevant. Deshalb stelle ich mir eine innere Zeitmanagementfrage: Ist das, was ich da gerade vorhabe, meine Lebenszeit wert?
Doch der Gedanke an den Tod muss ja nicht dazu führen, dass man Bücher schreibt.
Viele Höchstleistungen entstehen dadurch, dass der Mensch einen Mangel fühlt oder einen Komplex hat. Bei mir war es immer die Angst, zu versagen und nicht anerkannt zu sein. Das hat bei mir zunächst dazu geführt, dass ich viel gelesen habe – so kam ich zur Literatur.
Was hilft, wenn einem die Ideen ausbleiben?
Langeweile. Deshalb versuche ich, meinen Kindern klarzumachen: Macht euer Handy aus. Als ich früher an der Bushaltestelle saß, habe ich Leute beobachtet und mir Geschichten dazu ausgedacht. Meine Eltern haben mich an Urlaubsorte ohne Kinderclub geschleppt, wo ich auf mich allein gestellt war. Ich habe damals viel gelesen, habe mich viel gelangweilt und mich in die Vorstellung eines Lebens als Rockstar hineingeträumt. Innere Leere ist Grundvoraussetzung für kreative Gedanken.