Immobilienboom in Tel Aviv

Die teuerste Stadt der Welt ist weder New York noch Hongkong, sondern Tel Aviv. Der Auslöser: der boomende Immobilienmarkt. Doch wohin geht die Reise, und lohnt der Einstieg noch?
Text David Kaufman
Das Penthouse im Barockstil kostet rund 46 Millionen Euro.

Als der Economist vor einem Jahr wieder seine Liste der teuersten Städte der Welt aktualisierte, gab es eine Überraschung: Ganz oben, auf dem Spitzenplatz, stand keiner der Altbekannten, keine Millionenmetropole oder Megacity – sondern das vergleichsweise überschaubare Tel Aviv mit seinen knapp 500.000 Einwohnern. Wie war das möglich? Was katapultierte die Wirtschafts- und Kulturhauptstadt des kleinen, von feindseligen Nachbarn bedrängten Israel auf den ersten Platz des Economist-Rankings? Die Antwort: ihr Immobilienmarkt!

Immobilienpreise haben sich verdoppelt

Vier Zimmer, fünf Bäder und ein privater Pool: Dieses Penthouse ist für rund 25 Millionen Euro zu haben.

Kenner werden jetzt wohl wissend nicken: Der Immobilienspezialist Knight Frank hatte die Stadt schließlich schon vor zehn Jahren zum drittheißesten Häuser- und Wohnungsmarkt der Welt gekürt. Seitdem haben sich die Preise noch einmal nahezu verdoppelt. Heute kostet eine durchschnittliche Vier-Zimmer-Wohnung in Tel Aviv ab 1,1 Millionen Euro; Wohnungen der Luxusklasse beginnen bei rund fünf Millionen Euro. 

„Tel Aviv ist eine Stadt mit sehr hoher Nachfrage und sehr geringem Angebot, vor allem für neu gebaute Immobilien im oberen Bereich“, sagt Daniel Goldstein, Direktor des Luxusmaklers Beauchamp Estates, der hier seit 2019 eine eigene Niederlassung hat. „Es gibt einen erheblichen Zustrom von Kapital aus dem Ausland und aus dem Hightech-Sektor hinein in diesen relativ kleinen Ort.“ Und nicht nur nach Tel Aviv, auch nach Israel als Ganzes ist zuletzt viel Geld geflossen. Das Bruttoinlandsprodukt hat sich in den vergangenen 20 Jahren mehr als verdoppelt.

Der Goldene Kilometer als begehrteste Lage

Mit Meerblick: Die Immobilien an der HaYarkon-Straße sind besonders begehrt.

Auch die –hauptsächlich jüdischen– Ausländer, die es in die Stadt zieht, treiben die Preise weiter in die Höhe. Die Hauptakteure auf dem Markt der High-End-Immobilien sind vor allem US-Amerikaner. Dazu kommen nun zunehmend finanzstarke Investoren aus den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain, die sich nach der Unterzeichnung der Friedensverträge ihrer Staaten mit Israel allmählich für Tel Aviv zu interessieren beginnen. Wer es zahlen kann und will, sucht sein neues Objekt in Tel Aviv vor allem an einem Ort: am Goldenen Kilometer, einem schmalen Korridor, der direkt entlang des Mittelmeerstrands verläuft. Hier wachsen die Hotel- und Wohntürme in den Himmel, hier finden sich die begehrtesten Penthouses. 

Und hier liegt auch die nobelste Adresse der Stadt, das gerade eröffnete David Kempinski. Direkt neben dem Kempinski locken die neuen David Promenade Residences, ein 28-stöckiger Wohnturm mit Quadratmeterpreisen von bis zu rund 50.000 Euro. Zwei Einheiten machten hier Schlagzeilen, als sie im vergangenen Jahr für jeweils rund 26 Millionen Euro verkauft wurden. Weiter unten an der Promenade entstehen auf einem erstklassigen Grundstück beim alten Hafen von Jaffa gerade die Residences at Mandarin Oriental: jahrhundertealte Häuser, die nach ihrer Luxussanierung ebenfalls Preise von mehreren Millionen Euro erzielen.

Israel hat strenge Grundstückskontrollen

Der Boom hat aber auch alle anderen Stadtteile erfasst – von Tel Avivs südlichen Vierteln wie Neve Tzedek bis hin zu den nördlichsten Gebieten jenseits des Yarkon-Flusses. Wohlhabende Vororte wie Savyon, Caesarea und vor allem Herzliya Pituach, wo der russische Oligarch Roman Abramowitsch vor zwei Jahren eine rund 60 Millionen Euro teure Villa gekauft haben soll, waren nie zuvor so begehrt wie heute. „Wenn man denn eines findet“, sagt die Maklerin Orit Rosin-Ofir. „Israel hat sehr strenge Grundstückskontrollen.“ Ein Großteil des Landes befindet sich im Besitz der Regierung. Andere Grundstücke – wie das, auf dem die luxuriöse Jaffa Residences gebaut wurden – gehören Kirchen. Es gibt hier keine Online-Plattform, auf der man einfach alle verfügbaren Objekte einsehen könnte. „Gerade im oberen Segment sind die Geschäfte sehr privat, sehr geheim“, sagt Rosin-Ofir.

Obwohl die Experten der Schweizer Großbank UBS mittlerweile eine Immobilienblase in Tel Aviv für möglich halten, geben sich Insider wie Goldstein betont gelassen. Sie verweisen auf Israels hohe, robuste Geburtenrate und den prosperierenden Hightech-Sektor, der künftiges Wachstum verspricht. „Tel Aviv wird ein sehr dynamischer Ort für Investitionen und Investoren bleiben. Hier wird viel Kapital generiert und bewegt. Und Immobilien sind die Assets, in die das Geld dann immer zu fließen scheint.“