Alleine an Bord der Explora 2

Lissabon? Liebe ich. Die Wellen zum Surfen, ein Glas Wein in meinem Lieblingsrestaurant Faz Frio, um sich dann durch die Altstadt treiben lassen. Cadiz, wundervoll. Vom Torre Tavira über die Stadt schauen, am Strand von La Caleta sonnen und im El Faro de Cádiz eine Dorade essen. Tanger, immer ein Besuch wert. Eine Lamm-Backpflaumen-Tajine, ein heißer Atay b’nahna, der einem den Staub aus der Kehle spült, und ein kurzer Tauchgang an der Küste. Das sind genau die Ziele, die ich mag. Genau die Ziele, die die Explora 2 auf meiner viertägigen Reise anläuft. Dort zieht es dann die 922 Menschen an Bord in die Städte, zu den Sehenswürdigkeiten, zu den Abenteuern, zu den Entdeckungen. Ich werde es diese Reise aber anders handhaben und folge dem alten seemännischen Grundsatz: „Ein Kapitän verlässt sein Schiff nicht.“ Zugegeben, zu einem Patent hat es nicht gereicht, aber immerhin zu einem Bootsführerschein. Also, der Kapitän bleibt. Die Stunden, in denen ein so exklusives Schiff nahezu menschenleer ist, weil die Gäste von Bord sind, ist unvergleichlich. Es ist ein Luxus, den man mit dem Ticketpreis erwirbt, den aber kaum jemand nutzt. Es ist der Kevin-allein-zu-Haus-Effekt – aber ohne die Ganoven.

Tag 1, Lissabon
Die Explora 2 ist noch vertaut. Das am Berg gebaute Lissabon ist auf der Steuerbordseite allgegenwärtig. Die bunten Häuser und links die Brücke „Ponte 25 de Abril“. Wie Ameisen ziehen die Touristen und Einwohner durch die Gassen der Stadt. Ohne mich. Ich habe mir den besten Platz auf der Terrasse im Sakura gesichert. Bin der einzige Gast, lasse mir Sashimi, Tataki vom Wagyu-Rind und Sake bringen. Der Name „Sakura“ stammt von der Kirschblüte, sagt der Kellner. Ich nehme mir Zeit. Richtig viel Zeit. Im Anschluss habe ich mir den Whirlpool eingebildet. Für gewöhnlich meide ich die Sprudelbecken. Mich verstört der Gedanke, mir mit fremden Menschen ein Becken mit lauwarmem Wasser zu teilen. Alleine hingegen ist das alles ein anderes Vergnügen. Gut eine Stunde lasse ich mich einweichen und umsprudeln, bis die ersten Gäste wieder über die Gangway an Bord kommen. Ich ziehe mich in meine Kabine zurück.

Tag 2, Cadiz
Schon vor dem Frühstück verlassen die ersten Gäste das Schiff und pilgern in Richtung Altstadt. Ich sage leise „Tschüss“. Im Gym kann ich unter fünf Laufbändern auswählen – und allen Geräten. Denn: Niemand ist außer mir dort. Nach einem harten Training – ich will es mit Mitte 40 noch einmal wissen – schlendere ich durch den Bauch des Schiffes. Italienisch? Französisch? Asiatisch? Quatsch mit Soße. Vor dem Mittag habe ich mir eine Massage gebucht. 90 Minuten verlässt mein Geist die Explora 2 – Entspannung pur. In der Spy Bar im Heck auf Deck 14 kümmern sich anschließend die zwei Barkeeper fast schon liebevoll um ihren einzigen Gast. Mich. Mit einem Pisco Sour lasse ich mich in die weichen Polster fallen. Exklusivität pur.

Tag 3, Tanger
Wer in die Stadt will, muss am Pier den Shuttlebus nehmen. Ich nehme mir etwas anderes: Zeit für mich. Heute ist Spa-Tag. Auf 700 Quadratmetern steht mir – und einem anderen Herren, der sich scheinbar ebenfalls fürs Bleiben entschied – alles zur Verfügung, was man zur Entspannung braucht. Sauna, Salzgrotte, Dampfdusche, Eiswasserfall und Dinge, deren Namen ich nicht kenne. Der Mann und ich nicken uns verstohlen zu. Als würden wir zwei ein Geheimnis teilen, dessen Wahrheit – und sei es nur geflüstert – in Rauch aufginge und damit für immer verloren wäre.

Tag 4, Barcelona
Am letzten Tag probiere ich mich noch durch die verbleibenden Restaurants. Die gestampften Kartoffeln mit Kaviar im Marble & Co Grill sind der krönende Abschluss einer Reise zu mir selbst. Ich hatte das Gefühl, 96 Stunden der Eigner der größten Privat-Yacht der Welt zu sein. 248 Meter und 14 Decks – alles meins. Auf der Gangway begegne ich dem Mann aus dem Spa wieder. „Und“, fragt er, „auch die ganze Zeit an Bord geblieben?“ Er hat es ausgesprochen – der Traum geht in Rauch auf.