So funktioniert das Metaverse

Wie navigiert man durch eine virtuelle Welt, die vorerst als Idee existiert – und schon Milliarden von Visits und Euros generiert? Zeit für eine bizarre Expedition ins Metaverse – und je tiefer wir uns vorwagen, desto verrückter wird es.
Text Josh Condon
Labels wie Puma haben bereits Produkte oder sogar eigene Kollektionen fürs Metaverse entworfen.

Metaversum? Wenn das mal nicht aufregend klingt. Aber sobald das anfängliche Staunen nachlässt, stellt sich eine entscheidende Frage: Was soll dieses Metaversum eigentlich sein? Der Begriff ist gar nicht so neu, er stammt aus Neal Stephensons 1992 erschienenem Science-Fiction-Roman Snow Crash. Doch der Supercomputer, der die dahinterstehende Idee vom totalen Eintauchen in eine komplett virtuelle Welt tatsächlich ermöglichen würde, müsste erst noch entwickelt werden. Potenzielle Metaversum-Pioniere erregen jetzt trotzdem immer mehr Aufmerksamkeit.

Facebook investiert ins Metaversum

Das technologische Fundament des Metaverse: Multiplayer-Games mit virtuellen Welten.

Was auch immer Sie bisher über das Metaversum gehört haben, geht höchstwahrscheinlich auf eine Ankündigung von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg aus dem Oktober 2021 zurück. Mit dem glühenden Enthusiasmus eines frisch bekehrten Sektenmitglieds erklärte er in einem Video, sein Unternehmen würde nun „viele Milliarden Dollar“ ins Metaversum investieren – und deshalb sogar den eigenen Namen ändern: bye-bye Facebook, hello Meta!

Die Animationen und Demos, die dann bei der Präsentation gezeigt wurden, hatten dann aber höchstens den Charme einer Matrix-Möchtegern-Parallelwelt auf Nintendo-Wii-Niveau, in deren virtueller Realität man dreidimensional irgendwie „abhängt“, irgendwie „arbeitet“ und irgendwie „Sportkurse“ absolviert. Aber das war ja auch nur eine von vielen möglichen Versionen des Metaversums – der Clou liegt in der Grenzenlosigkeit.

Metaverse besteht aus Krypto und Gaming

Popstars sind auch schon da: Sogenannte Skins aus dem Fortnite-Konzert von Ariana Grande.

„Im Moment besteht das Metaversum aus einer Art Fusion von Krypto und Gaming“, sagt Karinna Grant, Mitbegründerin von The Dematerialised, einem Entwickler und Marktplatz für digitale Mode, Accessoires und Sammlerstücke. Kryptowährungen tragen sicherlich zur Finanzierung des Metaversums bei, und sie prägen auch einen Teil seines heutigen Vokabulars. Das technologische Fundament liefert aber zweifellos die Gaming-Branche. 

Einige der größten Multiplayer-Games, darunter Fortnite, Halo und Minecraft, bilden inzwischen virtuelle Welten, deren reale Wirtschaftsleistungen so hoch sind wie die Bruttosozialprodukte mancher Kleinststaaten. Mit einem gesteuerten Gameplay, das Nutzern gemeinsame Geschichten, Erlebnisse und Räume zur Verfügung stellt, haben Entwickler hier einige der wertvollsten Lagen auf dem Immobilienmarkt des Metaversums geschaffen.

Kunst und Mode per NFT handeln

Gemeinsam mit The Fabricant hat Buffalo London Schuhe kreiert, die nur virtuell erhältlich sind.

Branchen, die bisher auf die physische Präsenz ihrer Kunden angewiesen waren blühen nun im virtuellen Raum auf. Kunst und Einzelhandel sind aktuell die Hauptattraktionen des Metaversums, und bei fast allen aufsehenerregenden Transaktionen wurden hier bisher NFTs gehandelt. Die Abkürzung, die für Non-Fungible Token steht, bezieht sich sowohl auf die virtuelle Kreation selbst als auch auf das zugehörige Eigentums- und Echtheitszertifikat (Token genannt), das in der Blockchain gespeichert und bei jeder Eigentumsübertragung aktualisiert wird.

„Wie zeigt man der Welt, dass man ein NFT besitzt?“, fragt Karinna Grant von The Dematerialised. Ganz gleich, ob man einen virtuellen Turnschuh oder ein Kunstwerk erworben hat: Klassischerweise lautet die Antwort auf diese Frage, dass man Zugang zu einer Bilddatei erhält, die auf Instagram oder Twitter gepostet oder in Snapchat digital eingeblendet werden kann – und das war es dann oft auch schon. Interessanter sind physische NFT-Displays, etwa das Modell The Frame TV von Samsung, mit dem man virtuelle Kunstwerke an die Wand seines realen Zuhauses hängen kann.

Digitale Spekulanten setzen auf Immobilien

Theoretisch verspricht das Metaversum seinen Nutzern eine grenzenlos offene Welt. Praktisch sind viele virtuelle Entwickler längst damit beschäftigt, Blockchain-gestützte Immobilien zu erschaffen. Und digitale Spekulanten haben schon begonnen, sich diese Immobilien zu schnappen. Upland, eine Gaming-Plattform, nutzt beispielsweise den Immobilien-Hype in der realen Welt: Sie verkauft Bestände, bei denen es sich um virtuelle Ebenbilder tatsächlicher Immobilien in New York, Los Angeles und anderen US-Metropolen handelt, kreiert auf diese Weise eine Art Metaversum-Monopoly in ganz großem Stil.

Bisher ist das Metaversum also vor allem ein riesiger Wirtschaftsraum, wenn auch bestimmt kein ganz gewöhnlicher. Zumindest aktuell handelt es sich noch um jene Art von unregulierter Pionier-Ökonomie, die schon immer Träumer, Künstler, Prediger, Verrückte, Freigeister, Gauner und Gelangweilte angezogen hat. Einen wirklich guten Grund, unsere Zeit im Metaversum zu verbringen, gibt es für die meisten von uns derzeit wohl noch nicht. Doch der Wahrheitsgehalt dieser Aussage nimmt mit jedem Tag etwas ab. Und das allein macht das Metaversum schon zu einem lohnenden Reiseziel. Wie alle Destinationen ist es nicht trotz, sondern wegen seiner Andersartigkeit interessant.