Ein wahrer Whisky-Kenner: Jim Beveridge

Niemand kennt sich mit Whisky so gut aus wie er: Jim Beveridge. Seit knapp 40 Jahren arbeitet er bereits bei Johnny Walker. Mehr zu ihm und seiner spannenden Geschichte.
Text Michael Brunnbauer

Er ist kein Mann der lauten Töne. Als seinen Lieblingswhisky gibt er einen Johnnie Walker Red Label an – das günstigste Produkt im Portfolio von Johnnie Walker, dem größten Hersteller von schottischem Whisky. Jim Beveridge ist seit 2001 dessen Master Blender. Diesen Titel trugen vor ihm nur fünf Menschen, seit John Walker persönlich vor rund 190 Jahren das Unternehmen gegründet hat. Seine Fans haben sogar die Möglichkeit, den Meister persönlich zu treffen und, noch besser, sich von ihm einen maßgeschneiderten Blend komponieren zu lassen: den sogenannten Signature Blend von Johnnie Walker. Darüber sollte man reden.

Mr Beveridge, von allen Johnnie Walker Blends, die Sie bisher verantwortet haben, gibt es da einen, auf den Sie besonders stolz sind?
Also besonders gelungen ist mir meiner Meinung nach der Johnnie Walker Double Black. Das Schöne an ihm ist, dass er zwar auf der einen Seite ein traditioneller Johnnie Walker Blend ist, gleichzeitig aber auch einen sehr modernen, zeitgemäßen Ansatz verfolgt.

Gab es auch mal einen Blend, mit dem Sie nicht zufrieden waren?
Ja, das passiert schon mal. Ich kann mich an einen erinnern, da hatte ich schon beim Verkaufsstart meine Bedenken, die sich dann leider auch als richtig erwiesen haben. Aber bevor Sie nachfragen: Ich sage Ihnen jetzt nicht, welcher das war. Es gab aber auch Blends, die mir nicht gefallen haben, die dann aber trotzdem erfolgreich waren. Auch ich bin nicht unfehlbar und weiß nicht immer, welcher Whisky sich kommerziell durchsetzt und welcher nicht.

Wie entstand die Idee zu einem maßgeschneiderten Whisky?
Wir haben diesen Service das erste Mal vor ein paar Jahren in unserer Dependance in China angeboten. Wir wollten unseren Premiumkunden damit die Möglichkeit bieten, einen Whisky zu kreieren, der nicht nur an ihren persönlichen Geschmack angepasst ist, sondern den sie quasi mitentwickelt haben. So fing alles an.

Wie oft wird der Signature Blend nachgefragt?
Das ist eine sehr übersichtliche Zahl. Letztes Jahr trafen mein Kollege und ich vielleicht zehn Kunden zu individuellen Blending Sessions. Das klingt wenig, aber mehr wäre rein vom Zeitaufwand für mich nicht möglich.

Aus wie vielen Zutaten oder einzelnen Whiskys setzt sich so ein individueller Blend zusammen?
Zu allen unseren Blending Sessions nehme ich eine kleine Box aus Eichenholz mit. Darin befindet sich eine von mir handverlesene Zusammenstellung von rund 30 der feinsten und seltensten Whiskys, die Sie sich vorstellen können. Alles abgefüllt in kleine Flaschen, deren Inhalt direkt aus unseren Fässern in Schottland stammt. Und daraus kreieren wir dann den Signature Blend.

Was genau sind das für Whiskysorten?
Das sind sowohl Grain als auch Malt Whiskys, die einen spezifischen Geschmack gut transportieren, sich also für uns besonders gut zum Blenden eignen. Auch wenn das Alter hier kein Thema ist, sind die meisten davon mindestens 20, manche sogar bis zu 40 Jahre alt. Einige stammen aus Destillerien, die heute gar nicht mehr in Betrieb sind. Und andere aus Experimenten, die niemals auf den Markt kamen oder in Serie gingen. Eines haben aber alle gemeinsam: Sie stammen aus extrem seltenen Fässern.

Braucht eine gute Nase: Jim Beveridge

Wo finden diese Termine statt, in Ihrem Labor?
Nein, das ist seltsamerweise noch nie nachgefragt worden, obwohl das prinzipiell möglich wäre. Normalerweise macht unser Team einen Termin aus, und ein Kollege und ich fliegen von Schottland aus zum Kunden. Was aber auch möglich ist, dass wir den Kunden direkt in einer Destillerie in Schottland treffen, zum Beispiel in der Brennerei von Cardhu.

Was sind das für Menschen, die sich einen so individua­lisierten Whisky wünschen?
Die kommen aus ganz unterschiedlichen Verhältnissen, aber meistens sind es erfolgreiche Geschäftsleute. Viele wollen einen besonderen Tropfen, den sie mit ihren Freunden und der Familie teilen können. Andere wollen ihn als besonders exklusives Geschenk für Geschäftsfreunde. Und manche suchen einfach einen Whisky, von dem sie sagen können, dass er einzigartig ist und ihn niemand sonst auf der Welt besitzt.

Wie läuft ein Termin mit Ihnen ab?
Zu Beginn setze ich mich mit dem Kunden zusammen, und wir unterhalten uns. Ich frage ihn, was bisher seine bevorzugten Blends waren, welche Whiskys er generell gut findet und was er an anderen Getränken gern zu sich nimmt. Von dieser Konversation ausgehend bekommt man ein erstes Gespür, was für einen Geschmack der Kunde hat und welche Aromen und Kompositionen für ihn infrage kommen.

Und getrunken wird bei so einer Session auch, oder?
Ja klar, anders geht das gar nicht. Im Verlauf unserer Unterhaltung erstellen wir immer wieder neue Blends, reichen sie dem Kunden und fragen ihn, was er davon hält. So tasten wir uns langsam an seinen Geschmack heran. Ein Problem ist ja oft, dass jemand vielleicht sagt, er mag rauchige Aromen, unter rauchig aber etwas ganz anderes versteht als wir. Oft muss man also erst einmal eine gemeinsame Sprache etablieren, bevor man den perfekten Blend für eine bestimmte Person kreieren kann.

Was für Vorkenntnisse bringen Ihre Kunden mit?
Das variiert sehr stark. Manche besitzen ein gewisses Basiswissen über Single Malts, bevorzugen beim Thema Blend aber eindeutig Johnnie Walker Blue Label. Solche Kunden erwarten von mir meistens etwas, das in die Richtung Blue Label geht. Vielleicht mit einer kleinen Abwandlung oder einen Tick spezieller. Andere dagegen kennen sich extrem detailliert in der Welt der Single Malts aus, sprechen mit mir über Spezialabfüllungen, Alter, Holznoten und Fassreifung oder welchen japanischen Whisky sie bevorzugen. Diese Kunden wollen meistens etwas sehr Spezielles, möglichst Einzigartiges. Das ist für mich immer besonders spannend, weil ich am Anfang einer Session keine Ahnung habe, was am Ende für ein Blend herauskommt.

Ist es Ihnen auch schon mal passiert, dass jemand gar keinen Plan hat, was er will?
Ja, auch das. Gerade in China gibt es immer noch viele Menschen, die sich mit schottischem Whisky überhaupt nicht auskennen. Abgesehen von lokalen Spirituosen hatten die bisher höchstens mal mit Wein oder Cognac Kontakt. Sie können sich vorstellen, wie schwierig ein solches Gespräch dann werden kann.

Wie lange dauert eine solche Session?
In der Regel sind fünf oder sechs Blends notwendig, damit wir grob eine Vorstellung davon haben, in welche Richtung es gehen soll. Hat der Kunde eher einen traditionellen, rauchigen Geschmack, oder will er lieber etwas Süßliches, Leichtes? Sobald wir wissen, was für eine Grundart an Whisky der Kunde bevorzugt, folgt Phase zwei. Hier nehmen wir dann das Finetuning vor, also passen den Geschmack um kleine Nuancen nach oben oder unten entsprechend den Aussagen des Kunden an.

Master Blender: Jim Beveridge, der seit vierzig Jahren für Johnny Walker arbeitet.

Was passiert danach?
Haben wir uns erst einmal auf einen Blend geeinigt, kann der Kunde aus verschiedenen Optionen wählen, was das Flaschendesign und die Verpackung betrifft. Viele wollen ihren Namen oder ein Siegel auf die Flasche graviert haben. Danach fliegen wir zurück und reproduzieren das Ergebnis in einer größeren Menge, in der Regel 100 bis 200 Flaschen. Es dauert jedoch mindestens einen Monat, bis der Kunde wirklich seinen maßgeschneiderten Whisky nach Hause geliefert bekommt. Dieser Zeitaufwand ist jedoch mehr der Individualisierung der Flasche als dem Getränk selbst geschuldet.

Was muss der Kunde für seinen individualisierten Whisky bezahlen?
Das hängt von der Menge ab, aber 80 bis 100 Flaschen des Signature Blend fangen bei rund 100 000 Pfund (ca. 117 000 Euro) an. Oft ein bisschen mehr, abhängig davon, wie aufwendig die Individualisierung bei der Verpackung und den Flaschen gewünscht ist.

Stimmt es, dass das Rezept anschließend in den Archiven von Johnnie Walker eingelagert wird und somit quasi ein geschichtliches Dokument wird?
Das stimmt. Aber das liegt vor allem darin begründet, dass, falls der Kunde zu einem späteren Zeitpunkt noch Flaschen nachordern will, wir ihm eine möglichst exakte Kopie seines Whiskys liefern können. Hundertprozentig können wir das allerdings nicht garantieren, denn das Problem mit seltenen Whiskys ist, dass sie irgendwann schlichtweg aufgebraucht sind.

Kam es schon einmal vor, dass Sie in einer Privatsitzung einen so guten Whisky erstellt haben, dass Sie ihn am liebsten ins reguläre Portfolio übernommen hätten?
Ja und nein. Die Whiskys, die wir für den Signature Blend verwenden, sind alle extrem selten und limitiert. Da wir nur ein geringes Volumen produzieren müssen, haben wir hier die Freiheit, Whiskys verwenden zu können, die es nur noch in homöopathischen Mengen gibt. 100 Flaschen daraus herzustellen geht gerade so, aber schon 100 Fässer würden unsere Kapazitäten übersteigen. Insofern ist es schon extrem einzigartig, was unsere Kunden bekommen. 

Andererseits dienen uns diese Sessions auch als Marktforschungsinstrument. Wir können hier direkt am Kunden sehen, was funktioniert und was nicht. Dieses Wissen fließt dann in unsere großvolumigeren Produkte ein. Insofern hat jeder dieser Kunden irgendwie auch Einfluss auf den künftigen Geschmack von Johnnie Walker Blends.

Kulinarik Shopping